Leitsatz (amtlich)

Kostenfestsetzung:

1. Nach der BGH-Rechtsprechung kommt es für die Anrechnung einer einmal entstandenen vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV auf die gerichtliche Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) gem. Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV nicht darauf an, ob wegen der Geschäftsgebühr ein materiell-rechtlicher Erstattungsanspruch ggü. dem Prozessgegner besteht.

2. Es ist deshalb unerheblich, ob die Geschäftsgebühr als Nebenforderung mit eingeklagt oder ob der Kläger dies unterlassen hat wegen der vom Beklagten erhobenen Verjährungseinrede und ob mit der umfassenden Erledigungsklausel in einem gerichtlichen Vergleich bezüglich eines etwaigen Erstattungsanspruchs des Klägers zwischen den Parteien ein Erlassvertrag (§ 397 BGB) abgeschlossen wurde.

3. Eine Auslegung des Prozessvergleichs bezüglich seiner Erledigungsklausel und der in ihm getroffenen Kostenregelung erübrigt sich damit.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, § 103 ff.; RVG-VV Nrn. 2300, 3100 Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Tübingen (Beschluss vom 24.11.2008; Aktenzeichen 4 O 98/08)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Tübingen vom 24.11.2008 - 4 O 98/08, abgeändert:

Aufgrund des rechtswirksamen Vergleichs des LG Tübingen vom 25.9.2008 sind von dem Beklagten an die Klägerin an Kosten zu erstatten: 1.730,84 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 8.10.2008.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 481,50 EUR.

 

Gründe

1. Im Hauptsacheverfahren machte die Klägerin gegen den Beklagten Pflichtteilsansprüche i.H.v. 33.327,71 EUR geltend. Die Parteien schlossen am 25.9.2008 einen gerichtlichen Vergleich, in dem sich der Beklagte verpflichtete 25.000 EUR zu bezahlen. Damit waren sämtliche Ansprüche der Parteien gegeneinander erledigt und abgegolten. Von den Kosten des Rechtsstreits übernahmen die Klägerin 25 % und der Beklagte 75 %.

Bei den Kostenausgleichungsanträgen berücksichtigte der Beklagte die Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr und reduzierte die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV auf 0,65 und damit auf 539,50 EUR netto, während die Klägerin trotz unstreitiger vorgerichtlicher Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten die volle 1,3-Verfahrensgebühr mit einem 1.079 EUR netto in Ansatz brachte.

Die Rechtspflegerin ging beim Kostenausgleich von den jeweiligen Anträgen aus und setzte mit Beschluss vom 24.11.2008 die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 2.212,34 EUR fest.

Gegen die am 26.11.2008 zugestellte Entscheidung hat der Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten am 28.11.2008 Beschwerde eingelegt, der die Klägerin entgegengetreten ist.

Die Parteien streiten über die Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr auf die von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensgebühr. Bei Berücksichtigung der Anrechnung und infolgedessen Reduzierung der Verfahrensgebühr auf 0,65 würde der Beklagte im Kostenausgleich unter Zugrundelegung der vereinbarten Quote mit einem um 481,50 EUR brutto geringeren Erstattungsbetrag belastet werden.

Die Rechtspflegerin hat nicht abgeholfen und die Akte mit Verfügung (Beschluss) vom 2.2.2009 dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

2. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff. ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG) und in der Sache begründet.

In dem Beschl. v. 22.1.2008 - VIII ZB 57/07, veröffentlicht u.a. in AGS 2008, 158 und NJW 2008, 1323, sowie bestätigt durch weitere Entscheidungen (BGH NJW 2008, 3641; JurBüro 2008, 468 und 469; AGS 2008, 377) hat der BGH klargestellt, dass die anteilige Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV auf die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) des gerichtlichen Verfahrens gem. Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV vorzunehmen ist unabhängig davon, ob die Geschäftsgebühr auf materiell-rechtlicher Grundlage vom Prozessgegner zu erstatten und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist.

Das Entstehen der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV ist zwischen den Parteien unstreitig und ergibt sich aus der Anlage K 7. Mit diesem Schreiben vom 3.8.2007 zeigt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin deren Vertretung ggü. dem Beklagten an und macht einen Pflichtteilsanspruchs von 33.327,71 EUR geltend. Das Mahnverfahren wurde eingeleitet am 10.9.2007.

Nachdem der BGH unmissverständlich klargestellt hat, dass es für die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) gem. Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV nicht darauf ankommt, ob wegen dieser ein materiell-rechtlicher Erstattungsanspruch ggü. dem Prozessgegner besteht, ist es unerheblich, ob die Klägerin die vorgerichtliche Geschäftsgebühr als Nebenforderung mit eingeklagt oder ob sie dies unterlassen hat wegen der vom Beklagten erhobenen Verjährungseinred...

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