Leitsatz (amtlich)

Gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit gem. § 5 Abs. 1 Nr. 5 FamFG: Für Betreuungssachen ist in § 273 Satz 1 FamFG geregelt, dass es als wichtiger Grund für eine Abgabe an ein anderes Gericht i.S.d. § 4 Satz 1 FamFG anzusehen ist, wenn sich der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen geändert hat und die Aufgaben des Betreuers im Wesentlichen am neuen Aufenthaltsort des Betroffenen zu erfüllen sind. Der gewöhnliche Aufenthalt an einem Ort wird begründet, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Aufenthalt dort auf eine längere Zeit angelegt ist und der neue Aufenthaltsort anstelle des bisherigen der Lebensmittelpunkt sein soll. Unerheblich ist dabei für die Abgabe, wie lange der Wechsel des Aufenthaltsortes zurückliegt.

 

Normenkette

FamFG § 5 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

Notariat Ravensburg (Aktenzeichen IV VG Nr. 5/2008)

Notariat Stuttgart (Aktenzeichen 7 VG 9/2006)

 

Tenor

Als zuständiges Gericht für die weitere Führung des Betreuungsverfahrens wird das Notariat Stuttgart Referat 7 - Betreuungsgericht - bestimmt.

 

Gründe

I. Durch Urteil des LG Stuttgart vom 25.10.2007 (17 KLs 110 Js 100994/06) wurde gegen den Betroffenen die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. In dem Strafvollstreckungsverfahren wurde durch Beschluss des LG Ravensburg vom 4.3.2011 (8 StVK 10/11) die weitere Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aus dem vorgenannten Urteil des LG Stuttgart zur Bewährung ausgesetzt und festgestellt, dass kraft Gesetzes Führungsaufsicht eintritt. Insoweit wurde die Dauer der Führungsaufsicht auf drei Jahre festgesetzt und angeordnet, dass der Betroffene seinen Wohnsitz in der Heimeinrichtung am ... in S. beizubehalten hat. Der an einer paranoiden Schizophrenie leidende Betroffene ist alkoholabhängig und steht unter Betreuung. Der Beteiligte Ziff. 2 ist sein Betreuer.

Ausweislich des Beschlusses des LG Ravensburg befindet er sich seit 16.9.2010 im Wohnheim "..." in S. und ist in einer Wohngruppe integriert.

Nach Anhörung der Beteiligten, die einer Abgabe nicht widersprochen haben, hat das Notariat Ravensburg das Betreuungsverfahren an das Notariat Stuttgart abgegeben, das mit Beschluss vom 5.5.2011 (7 VG 9/2006) die Übernahme abgelehnt hat.

Hierauf hat das Betreuungsgericht Ravensburg die Sache am 27.5.2011 dem OLG Stuttgart zur Bestimmung des zuständigen Betreuungsgerichts nach §§ 4, 5 Abs. 1 Nr. 5 FamFG vorgelegt.

II.1. Der Antrag auf Bestimmung der Zuständigkeit ist gem. § 5 Abs. 1 Nr. 5 FamFG i.V.m. §§ 4 Satz 1, 273 Satz 1 FamFG zulässig.

Das OLG Stuttgart ist als nächsthöheres gemeinsames Gericht i.S.d. § 5 Abs. 1 FamFG zur Entscheidung berufen. Abzustellen ist dabei auf den allgemeinen Gerichtsaufbau entsprechend dem GVG. Nicht entscheidend ist die Rechtsmittelzuständigkeit (Pabst in MünchKomm, ZPO/FamFG, Bd. 4, 3. Aufl. 2010, § 5 FamFG Rz. 15 und 16, m.w.N.).

2. Gemäß der Vorlage des Notariats IV Ravensburg ist das Notariat Stuttgart Referat 7 - Betreuungsgericht - nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 FamFG i.V.m. §§ 4 Satz 1, 273 Satz 1 FamFG als zuständiges Gericht zu bestimmen.

Die Abgabe des Betreuungsverfahrens vom Notariat IV Ravensburg an das Betreuungsgericht Stuttgart war zurecht erfolgt, während die Ablehnung der Übernahme durch Letzteres nicht gerechtfertigt war.

Nach § 4 Satz 1 FamFG kann die Sache aus wichtigem Grund an ein anderes Gericht abgegeben werden, wenn sich dieses zur Übernahme bereit erklärt. Bei einem Streit hierüber bestimmt das nächsthöhere gemeinsame Gericht gem. § 5 Abs. 1 Nr. 5 FamFG das zuständige Gericht.

Für Betreuungssachen ist in § 273 Satz 1 FamFG geregelt, dass als wichtiger Grund für eine Abgabe i.S.d. § 4 Satz 1 FamFG es anzusehen ist, wenn sich der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen geändert hat und die Aufgaben des Betreuers im Wesentlichen am neuen Aufenthaltsort des Betroffenen zu erfüllen sind. In Satz 2 wird ergänzt, dass der Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts ein tatsächlicher Aufenthalt von mehr als einem Jahr an einem anderen Ort gleich steht.

Für die Abgabe an ein anderes Betreuungsgericht nach § 273 Satz 1 FamFG muss eine Betreuungssache - hier § 271 Nr. 3 FamFG - lediglich anhängig sein. Ein Abgabegrund ist insbesondere die Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts der betroffenen Person. Kumulativ hierzu müssen die Aufgaben des Betreuers überwiegend am neuen Aufenthaltsort des Betroffenen zu erfüllen sein. Zu beurteilen ist insoweit, ob durch die Abgabe eine zweckmäßigere und leichtere Führung der Betreuung ermöglicht wird, wobei primär das Wohl des Betreuten und dann erst das Interesse des Betreuers und des Betreuungsgerichts entscheiden.

Regelmäßig ist jedoch der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen maßgebend. Dabei ist auf den Zeitpunkt der Abgabe der Betreuungssache abzustellen. Künftig zu erwartende Entwicklungen spielen keine Rolle (Schmidt-Recla in MünchKomm, a.a.O., § 273 FamFG Rz. 2-5; Bassenge in Bassenge/Roth, FamFG/RpflG, 12. Aufl. 2009, § 273 FamFG Rz. 3; je m.w.N.).

Der gewöhnliche Au...

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