Leitsatz (amtlich)
Gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit gem. § 5 Abs. 1 Nr. 5 FamFG: Die Abgabe nach § 4 Satz 1 FamFG i.V.m. § 273 Satz 1 FamFG im Rahmen eines laufenden Betreuungsverfahrens wegen Änderung des gewöhnlichen Aufenthaltes des Betroffenen erfordert Abgabereife. An dieser fehlt es, wenn das abgebende Gericht die Zahlbarmachung im vereinfachten Justizverwaltungsver-fahren gem. § 56g Abs. 1 Satz 4 FGG bzw. § 292 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 168 Abs. 1 Satz 4 FamFG angeordnet hat, statt die vom Betreuer beantragte Vergütungsfestsetzung vorzunehmen - und dies nicht bei Ansprüchen gegen die Staatskasse, sondern unzulässigerweise aus dem Vermögen des Betreuten.
Normenkette
FamFG § 5 Abs. 1 Nr. 5, § 4 S. 1
Verfahrensgang
Notariat Ravensburg (Aktenzeichen 4 VG 53/2011) |
Notariat Ravensburg (Aktenzeichen IV VG Nr. 32/2008) |
Tenor
Es verbleibt vorerst bei der Zuständigkeit des Notariats IV Ravensburg - Betreuungsgericht.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 5.8.2011 hat das Notariat IV Ravensburg das Betreuungsverfahren abgegeben an das Notariat Stuttgart, weil der Betreute seinen gewöhnlichen Aufenthalt nunmehr in S. hat. Das Betreuungsgericht Stuttgart hat die Übernahme am 19.8.2011 abgelehnt im Hinblick auf die im Einzelnen aufgezählten, noch nicht beschiedenen Vergütungsanträge der Betreuerin. Die Zahlbarmachung aus dem Vermögen des Betroffenen, die ohnehin nur bei Ansprüchen gegen die Staatskasse in Betracht komme und zudem ohne Gewährung des rechtlichen Gehörs erfolgt sei, habe die Anträge nicht erledigt. Erst nach Entscheidung über diese entsprechend den Vorschriften des FamFG bestehe Übernahmebereitschaft.
Nachdem das Betreuungsgericht Ravensburg mit Fax vom 29.8.2011 auf einer Übernahme durch das Notariat Stuttgart bestand, hat dieses mit Verfügung vom 30.8.2011 die Betreuungssache dem OLG Stuttgart vorgelegt zur Zuständigkeitsbestimmung.
II.1. Der Antrag auf Bestimmung der Zuständigkeit gem. § 5 Abs. 1 Nr. 5 FamFG i.V.m. §§ 4 Satz 1, 273 Satz 1 FamFG ist zulässig.
Das OLG Stuttgart ist als nächsthöheres gemeinsames Gericht i.S.d. § 5 Abs. 1 FamFG zur Entscheidung berufen. Abzustellen ist dabei auf den allgemeinen Gerichtsaufbau entsprechend dem GVG. Nicht entscheidend ist die Rechtsmittelzuständigkeit (Pabst in MünchKomm, ZPO/FamFG, Bd. 4, 3. Aufl. 2010, § 5 FamFG Rz. 15 und 16, m.w.N.).
2. Gemäß der Vorlage des Notariats Stuttgart verbleibt es vorerst bei der Zuständigkeit des Notariats IV Ravensburg nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 FamFG i.V.m. §§ 4 Satz 1, 273 Satz 1 FamFG.
Streit besteht lediglich über die Abgabereife im gegenwärtigen Zeitpunkt, die das Betreuungsgericht Stuttgart mit zutreffender Begründung in der Ablehnung der Übernahme vom 19.8.2011 und in der Vorlageverfügung vom 30.8.2011 verneint hat. Nach Entscheidung über die Vergütungsanträge der Betreuerin besteht Übernahmebereitschaft des Notariats Stuttgart, so dass allein darüber zu befinden ist, ob sich das Betreuungsverfahren in einem abgabereifen Zustand befindet.
Denn die Abgabe nach § 4 Satz 1 FamFG i.V.m. § 273 Satz 1 FamFG im Rahmen eines laufenden Betreuungsverfahrens erfordert Abgabereife. Dabei geht es um die Frage, ob und in welchem Umfang das bisher zuständige Gericht Verrichtungen, die auf Antrag oder von Amts wegen zu treffen sind, noch zu Ende führen muss, bevor die Sache abgegeben werden kann. Als Grundsatz gilt insoweit, dass vor einer Abgabe das bisher zuständige Gericht alle Verfügungen zu treffen hat, die zum Zeitpunkt der Abgabe auf Antrag oder von Amts wegen ergehen müssen. Hierzu zählen auch Vergütungsfestsetzungen (Budde in Keidel, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 273 Rz. 5 m.w.N.).
Das Notariat Stuttgart verweist zu Recht auf die Vergütungsanträge der Betreuerin vom 1.9.2009, 8.2., 6.4., 14.7., 25.10.2010, 6.1., 28.4. und 14.7.2011, mit denen jeweils um Erstellung eines Festsetzungsbeschlusses über die vom Betreuten aus seinem Vermögen zu begleichenden Beträge gebeten wurde. Eine Festsetzung erfolgte hierauf nicht, sondern eine Zahlbarmachung aus dem Vermögen des Betroffenen - ohne dessen vorherige Anhörung - am 14.4., 16.8., 17.11.2010, 12.1., 19.5. und 28.7.2011.
Die Zahlbarmachung im vereinfachten Justizverwaltungsverfahren gem. § 56g Abs. 1 Satz 4 FGG bzw. § 292 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 168 Abs. 1 Satz 4 FamFG ist, wie sich bereits aus dem Gesetzestext ergibt, nur bei Ansprüchen gegen die Staatskasse möglich, nicht aber aus dem Vermögen des Betreuten. Die richtigerweise von der Betreuerin beantragte Festsetzung gem. § 56g Abs. 1 FGG bzw. § 292 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 168 Abs. 1 FamFG wurde durch die Zahlbarmachung nicht ersetzt. Dies wäre selbst dann nicht der Fall, wenn sie sich gegen die Staatskasse gerichtet hätte und damit zulässig - aber nicht anfechtbar - gewesen wäre (Bassenge/Roth, FGG/RpflG, 11. Aufl. 2007, § 56g FGG Rz. 6; Wagner in Bassenge/Roth, FamFG/RpflG, 12. Aufl. 2009, § 168 FamFG Rz. 5; Heilmann in MünchKomm/ZPO/FamFG, Bd. 4, 3. Aufl. 2010, § 168 Rz. 6-8; Engelhardt in Keidel, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 168 FamFG Rz. 4-5; Bumiller/Hard...