Leitsatz (amtlich)
1. Bei Prüfung der Rechtzeitigkeit eines Ablehnungsgesuchs gegen einen Sachverständigen ist eine entsprechende Anwendung von § 43 ZPO geboten.
2. Der Verlust des Ablehnungsrechtes umfasst lediglich die der Partei bekannten Ablehnungsgründe.
3. Für Ablehnungsgesuche, in denen ein Ablehnungsgrund erst nach sorgfältiger Prüfung der Ausführungen des Sachverständigen zu erkennen ist, ist eine angemessene Überlegungsfrist maßgeblich, die die Zwei-Wochen-Frist gemäß § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht überschreiten darf.
4. Es ist für jeden einzelnen Ablehnungsgrund zu prüfen, ob die Partei ihr Ablehnungsrecht dadurch verloren hat, dass sie sich nach der Anhörung des Sachverständigen rügelos zur Sache eingelassen hat.
Normenkette
ZPO §§ 43, 406
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 04.04.2024; Aktenzeichen 56 O 12/23) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 04.04.2024, Az. 56 O 12/23, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 15.166,67 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über einen behaupteten Anspruch des Klägers auf Wertminderung aus einem Gebrauchtwagenkauf über einen im Rennbetrieb eingesetzten P..
Zur Ermittlung eines möglichen merkantilen Minderwerts des Fahrzeugs aus den vom Kläger dargelegten Gründen beauftragte das Landgericht den öffentlich bestellten Sachverständigen für Fahrzeugschäden und -bewertung K. mit der Erstattung eines mündlichen Gutachtens.
In der Sitzung vom 05.02.2024 erstattete der Sachverständige in der Beweisaufnahme nach Vernehmung mehrerer Zeugen sein Gutachten (Bl. 137 d.A.). Nach anschließender Erörterung des Ergebnisses der Beweisaufnahme mit den Parteivertretern beantragte der Klägervertreter, ihm eine Frist zur Stellungnahme zur Beweisaufnahme bis 04.03.2024 einzuräumen. Beim unmittelbar nachfolgenden Eintritt in die streitige Verhandlung stellte der Klägervertreter den Antrag aus der Klageschrift und verwies auf sein Beweisangebot zur Vernehmung des sachverständigen Zeugen Dipl.-Ing. (FH) Kr.. Die Sitzung endete mit der Bestimmung eines Verkündungstermins und der antragsgemäßen Gewährung der Frist zur Stellungnahme zur Beweisaufnahme für den Klägervertreter. Das Protokoll nebst Anlagen wurde ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle den Parteivertretern am 07.02.2024 übermittelt (Bl. 141 d.A.).
Mit Schriftsatz vom 03.03.2024, beim Landgericht eingegangen am 04.03.2024, lehnte der Kläger den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung berief er sich auf die Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung, die nach Auffassung des Klägers inhaltlich völlig unzutreffend seien, und verwies hierzu auf ein anderes Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart, in dem sich die mangelnde fachliche Kompetenz des dort in der Beklagtenrolle befindlichen Sachverständigen K. aus dem Gutachten des dort als gerichtlichem Sachverständigen tätigen Dipl.-Ing. (FH) Kr. ergeben habe. Im Übrigen beruhten seine Ausführungen auf falschen Recherchen. In dem vom Sachverständigen zur Markterforschung herangezogenen Inserat des Beklagten über das streitgegenständliche Fahrzeug sei das Fahrzeug entgegen der Darstellung des Sachverständigen als "unfallfrei und komplett neu aufgebaut und lackiert" beschrieben worden. Der Sachverständige habe aber zum Nachteil des Klägers selektiv nur die Passagen der Anzeige herausgegriffen, die zu seinen Lasten gingen, und die genannte Beschreibung bewusst verschwiegen. Seine Ausführungen begründeten nicht nur eine Parteilichkeit, sondern sogar eine eidliche Falschaussage vor Gericht. Schließlich enthielten seine Ausführungen auch unzulässige rechtliche Beurteilungen.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 04.04.2024, dem Klägervertreter zugestellt am 05.04.2024 (Bl. 222 d.A.), den Befangenheitsantrag als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 216 d.A.). Wegen der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit am 19.04.2024 beim Landgericht eingegangener sofortiger Beschwerde. Das Landgericht half der Beschwerde nicht ab (Bl. 235 d.A.).
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die sofortige Beschwerde ist statthaft, §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 406 Abs. 5 ZPO. Sie ist zulässig, weil sie form- und fristgerecht erhoben wurde.
2. Sie ist jedoch in der Sache unbegründet.
Der Ablehnungsantrag vom 03.03.2024, eingegangen am 04.03.2024, war unzulässig, weil er nicht rechtzeitig erhoben worden ist.
a) Gemäß § 406 Abs. 2 S. 1 ZPO ist ein Ablehnungsantrag spätestens binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen zu stellen. Eine spätere Ablehnung ist gemäß § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO nur dann zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Nach einhelliger Auffassung ist in diesem Fall der...