Verfahrensgang
AG Tübingen (Beschluss vom 28.12.2017; Aktenzeichen 7 F 835/17) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 02.02.2018 hin wird der Beschluss des Amtsgerichts Tübingen vom 28.12.2017 abgeändert.
2. Der Antragstellerin wird ab Antragstellung für ihren Antrag Ziff. 1. bis 9. Verfahrenskostenhilfe für den ersten Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. zu den Bedingungen eines im Bezirk des Verfahrensgerichts ansässigen Rechtsanwalts bewilligt.
3. Die Bewilligung erfolgt ohne Anordnung von Zahlungen.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Antragstellerin hat jeweils unter dem Datum des 06.12.2017 beim Amtsgericht Tübingen -Familiengericht- inhaltsgleiche Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, Az. 7 F 834/17, und den vorliegenden Hauptsacheantrag nach dem Gewaltschutzgesetz gestellt. Das Amtsgericht hat am 08.12.2017 ohne mündliche Verhandlung im Wege der einstweiligen Anordnung Gewaltschutzanordnungen beschlossen jedoch Einschränkungen im Hinblick auf den Umgang mit dem gemeinsamen Kind der Beteiligten gemacht. Die Dauer der Anordnungen wurde befristet bis 08.06.2018.
Mit Beschluss vom 28.12.2017 hat das Amtsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Hauptsacheantrag mit der Begründung abgelehnt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheine mutwillig, da beide Verfahren auf dasselbe Rechtsschutzziel gerichtet seien. Es sei weder dargetan noch erkennbar, dass die Antragstellerin in der Hauptsache ein Mehr gegenüber dem Verfahren der einstweiligen Anordnung erreichen könne oder wolle. Auch sei weder dargetan noch erkennbar, dass die besseren Erkenntnismöglichkeiten des Hauptsacheverfahrens gegenüber dem einstweiligen Anordnungsverfahren erforderlich seien.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 02.02.2018.
II. Die nach den §§ 76 Abs. 2 FamFG, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist in der Sache begründet.
Die Frage, ob Verfahrenskostenhilfe für einen Hauptsacheantrag nach dem Gewaltschutzgesetz wegen Mutwilligkeit zu versagen ist, soweit über den Verfahrensgegenstand bereits antragsgemäß durch einstweilige Anordnung entschieden wurde, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich entschieden.
Einerseits wird die Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit versagt, falls dem Gewaltschutzantrag im einstweiligen Anordnungsverfahren antragsgemäß stattgegeben wurde (OLG Hamm, Beschluss vom 07.11.2013, 4 WF 242/13 in FamRZ 2014, 585 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.02.2017, 18 WF 32/17 in NZFam 2017, 863; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18.11.2009, 2 F 215/09 in NJW 2010, 540).
Andererseits wird die Meinung vertreten, dass Verfahrenskostenhilfe für einen Hauptsacheantrag nach dem Gewaltschutzgesetz nicht schon deshalb verweigert werden kann, weil der Antragsteller gleichzeitig ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingeleitet hat (OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.01.2010, 18 WF 5/10 in FamRZ 2010, 1266; OLG München, Beschluss vom 14.02.2012, 26 WF 128/12 in FamRZ 2012, 1234 f.).
Der letzteren Ansicht ist zu folgen. Grundsätzlich können in Bezug auf einen Verfahrensgegenstand in allen Bereichen von Familiensachen im Sinne des § 111 FamFG Verfahren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach den §§ 49, 214 ff. FamFG und zur jeweiligen Hauptsache parallel geltend gemacht werden, weil im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes lediglich eine vorläufige Regelung erreicht werden kann, die nach § 54 FamFG abänderbar ist und in der Regel nicht zur Vorwegnahme der Hauptsache führen darf. Entsprechend kann, wenn für beide Verfahren Verfahrenskostenhilfe beantragt wird, grundsätzlich keine Mutwilligkeit im Sinne des § 76 Abs. 1 FamFG, § 114 S. 1 ZPO angenommen werden (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl., § 214 FamFG RN 6). In diesem Zusammenhang hält der Senat an seiner im Beschluss vom 25.01.2010 geäußerten Rechtsauffassung fest, dass sich das Rechtsschutzbedürfnis für ein Hauptsacheverfahren im Hinblick auf die Vorschrift des § 56 Abs. 2 FamFG, nach der einstweilige Anordnungen dann außer Kraft treten, wenn der Antrag in der Hauptsache rechtskräftig abgewiesen ist, auch daraus ergibt, dass es nicht ausgeschlossen erscheint, dass Unklarheit zwischen den Beteiligten bestehen kann, ob dies auch gilt, wenn ein Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für die Hauptsache abgewiesen wird.
Vorliegend bestand darüber hinaus auch in der Sache die Notwendigkeit, im Erkenntnisverfahren zur Hauptsache eine bindende Entscheidung herbeizuführen, da die Beteiligten Eltern der gemeinsamen Tochter E., geboren ....2013, sind und das Amtsgericht Tübingen dem Gewaltschutzantrag insoweit nicht entsprochen hat, als dem Antragsgegner gestattet wurde, mit der Antragstellerin schriftlichen Kontakt zur Regelung des Umgangs mit dem gemeinsamen Kind aufzunehmen und die Geltung der Verbote der Ziff. 1.1 bis 1.4 aufgehoben hat, soweit der Antragsgegner berechtigt ist, Umgang mit der gemeinsamen Tochter...