Leitsatz (amtlich)

Kostenfestsetzung: Die Erstattungsfähigkeit notwendiger Reisekosten des Rechtsanwalts gem. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO unterliegt dem Grundsatz der Kostengeringhaltung. Bei einem innerdeutschen Kurzstreckenflug sind deshalb die Kosten der "Business Class" nicht erstattungsfähig, sondern lediglich die der "Economy Class". Der Rechtsanwalt ist jedoch nicht verpflichtet, einen Billigflug zu nutzen. Bei nicht feststehendem Flugpreis in der "Economy Class" sind ihm fiktiv jedenfalls die bei Benutzung der ersten Klasse der Bahn anfallenden Kosten zzgl. denen einer erforderlichen Übernachtung zu erstatten.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 2 i.V.; JVEG § 5 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Ravensburg (Beschluss vom 13.01.2010; Aktenzeichen 8 O 103/06 KfH 2)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Ravensburg vom 13.1.2010 - 8 O 103/06 KfH2, abgeändert:

Aufgrund des Beschlusses des LG Ravensburg vom 4.12.2009 - 8 O 103/06 KfH2, sind von der Verfügungsklägerin an die Verfügungsbeklagte an Kosten zu erstatten:

weitere 256,73 EUR,

damit insgesamt 1.041,29 EUR

nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 21.12.2009.

I. Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag der Verfügungsbeklagten wird zurückgewiesen.

II. Die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten wird im Übrigen zurückgewiesen.

III. Die Verfügungsbeklagte trägt die Gerichtskosten. Im Übrigen tragen von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens die Verfügungsbeklagte 63 % und die Verfügungsklägerin 37 %.

Beschwerdewert: 688,18 EUR

 

Gründe

1. In dem Ordnungsmittelverfahren gem. § 890 ZPO wurden der Verfügungsklägerin die Verfahrenskosten einschließlich derjenigen des Beschwerdeverfahrens nach Antragsrücknahme im Termin vom 4.12.2009 durch das LG Ravensburg auferlegt.

Die Parteien streiten im nachfolgenden Kostenfestsetzungs- und Beschwerdeverfahren über die Höhe der dem Beklagtenvertreter entstandenen Reisekosten von Hamburg nach Ravensburg und zurück. Insoweit hat die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 13.1.2010 statt der beantragten Gesamtkosten von 1.472,74 EUR lediglich 784,56 EUR in Ansatz gebracht. Die Differenz resultiert aus berücksichtigten Flugreisekosten von 219,67 EUR statt 656,63 EUR und Bahnkosten von 11,60 EUR statt Mietwagenkosten von 262,82 EUR.

Gegen den am 22.1.2010 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Verfügungsbeklagte am 25./26.1.2010 sofortige Beschwerde eingelegt, der die Verfügungsklägerin entgegengetreten ist.

Die Rechtspflegerin hat nicht abgeholfen und die Akten dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

Zum Streitstand im Einzelnen wird Bezug genommen auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien nebst Anlagen sowie die Begründung der angefochtenen Entscheidung sowie des Vorlage-/Nichtabhilfebeschlusses vom 3.3.2010.

2. Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff. ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG zulässig und in der Sache teilweise begründet.

Zu Recht hat sich die Rechtspflegerin auf den Standpunkt gestellt, dass bei den notwendigen Reisekosten des Rechtsanwalts gem. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO der Grundsatz der Kostengeringhaltung zu beachten ist und bei einem innerdeutschen Kurzstreckenflug die Kosten der "Business Class" nicht erstattungsfähig sind, sondern lediglich die der "Economy Class" (N. Schneider in Schneider/Wolf, AnwaltKommentar, RVG, 5. Aufl. 2010, Nr. 7003-7006 RVG-VV Rz. 27; Madert/Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, Nr. 7003-7004 RVG-VV Rz. 31; OLG Frankfurt MDR 2008, 1005; OLG Düsseldorf NJW-RR 2009, 1422; OLG Saarbrücken NJW-RR 2009, 1423; je m.w.N.).

Soweit sich die Verfügungsbeklagte auf die Entscheidungen des OLG Hamburg vom 23.4.2008 - 8 W 43/08, MDR 2008, 1428, und des OLG Saarbrücken vom 2.4.2009 - 5 W 58/09, beruft, schließt sich der Senat den dortigen Auffassungen zur Erstattungsfähigkeit der Kosten der "Business Class" nicht an.

Allerdings ist der Rechtsanwalt nicht verpflichtet, einen Billigflug zu benutzen, bei dem er nicht umbuchen kann (N. Schneider, a.a.O., Rz. 27; Madert/Müller-Rabe, a.a.O., Rz. 32a; OLG Stuttgart/OLG Stuttgart JurBüro 2005, 367; OLG Hamburg MDR 2008, 1428; je m.w.N.).

Vielmehr sind ihm zumindest die bei Benutzung der 1. Klasse der Bahn anfallenden Kosten zu erstatten, nachdem er nicht schlechter zu stellen ist als die Partei selbst, für die gem. § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 5 Abs. 1 JVEG Reisekosten in dieser Höhe zu ersetzen sind, sofern nicht höhere Fahrtkosten gem. § 5 Abs. 3 JVEG wegen besonderer Umstände notwendig waren (Madert/Müller-Rabe, a.a.O., Rz. 28 bis 30; OLG Frankfurt MDR 2008, 1005; je m.w.N.; BGH NJW-RR 2008, 654, der bei der Vergleichsrechnung auf die Kosten für eine Bahnfahrt abstellt, allerdings ohne Differenzierung zwischen 1. und 2. Klasse).

Die Vereinbarung zwischen der Verfügungsbeklagten und ihrem Verfahrensbevollmächtigten, dass sie als Auftraggeberin in dem bestehenden Mandatsve...

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