Verfahrensgang
AG Oberndorf (Aktenzeichen 4 C 200/81) |
LG Rottweil (Aktenzeichen 1 S 93/81) |
Tenor
Es gibt keinen allgemeinen Rechtssatz, wonach dem Vermieter von Wohnraum die Geltendmachung von Nebenkostennachforderungen verwehrt ist, wenn bei mietvertraglich vereinbarter Nebenkostenvorauszahlung sich aus der Abrechnung ergebende Nachforderung den Vorauszahlungsbetrag wesentlich übersteigt.
Tatbestand
I.
Die Parteien haben im Mietvertrag vereinbart, daß die Beklagte neben dem monatlichen Mietzins von 420,– DM monatliche Vorauszahlungen von 90,– DM für Heizkosten und Warmwasser und für sonstige Betriebskosten zu zahlen hat. Der Mietvertrag enthält die Bestimmung, daß es sich bei den monatlichen Zahlungen von Betriebskosten um Vorauszahlungen handelt und daß einmal jährlich Endabrechnung erfolgt. Nach der Nebenkostenabrechnung hat die Beklagte einen Betrag von 1.252,33 DM nachzuzahlen. Die Beklagte ist der Auffassung, sie müsse allenfalls eine Nachforderung erfüllen, die ihre geleisteten Vorauszahlungen von 1.080,– DM um 40 % übersteigt. Die weitergehende Forderung sei unangemessen, da damit der durch den Vorauszahlungsbetrag für die Beklagte geschaffene Vertrauensrahmen überzogen würde.
Das Landgericht hat mit Beschluß vom 31.8.1981 folgende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt:
Ist dem Vermieter von Wohnraum die Geltendmachung von Nebenkostennachforderungen verwehrt, wenn bei mietvertraglich vereinbarter Nebenkostenvorauszahlung die sich aus der Abrechnung ergebende Nachforderung den Vorauszahlungsbetrag wesentlich übersteigt?
Läßt sich eine nach Prozentwerten festlegbare Toleranzgrenze ziehen?
Entscheidungsgründe
II.
Die Vorlage ist gemäß Art. III Abs. 1 des 3. Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom 21.12.1967 (BGBl. I S. 1248) in der Fassung des Gesetzes vom 5.6.1980 (BGBl. I S. 657) zulässig. Es handelt sich um eine in einer Vielzahl von Fällen gleichermaßen auftretende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, die bisher – soweit ersichtlich – noch nicht höchstrichterlich entschieden ist.
Die Entscheidung des Senats beruht auf folgenden Erwägungen:
Auszugehen ist davon, daß der Mieter auf Grund der vertraglichen Vereinbarungen mit dem Vermieter den sich aus der Nebenkostenabrechnung ergebenden Betrag in voller Höhe schuldet. Hieran ändert die Vereinbarung von Vorauszahlungen nichts. Der Begriff „Vorauszahlung” beinhaltet, daß noch eine endgültige Abrechnung erfolgen wird und daß die vorausbezahlten Beträge dem Mieter bei dieser Abrechnung gutzubringen sind. Die Vereinbarung von Vorauszahlungen besagt jedoch nicht, daß die Vorauszahlungen nach dem Willen der Parteien den voraussichtlichen Abrechnungsbetrag erreichen sollen.
Zwar wird ein Vermieter, um nicht mit den ihm laufend entstehenden Betriebskosten in Vorlage treten zu müssen, häufig von der Möglichkeit Gebrauch machen, sich mit dem Mieter auf Vorauszahlungen zu einigen, die ungefähr der Höhe der laufenden Kosten entsprechen. Nach § 4 Abs. 1 MHRG ist nur die Vereinbarung unangemessen hoher Vorauszahlungen untersagt. Es steht dem Vermieter jedoch frei, mit dem Mieter zu vereinbaren, daß dieser die Nebenkosten in voller Höhe erst nach deren endgültiger Abrechnung zu bezahlen hat, daß er also keine Vorauszahlungen leisten muß. Ebenso steht es dem Vermieter frei, sich mit dem Mieter auf Vorauszahlungen zu einigen, die deutlich geringer sind als der voraussichtliche Abrechnungsbetrag. Daher schafft die bloße Vereinbarung von Vorauszahlungen für den Mieter keinen Vertrauenstatbestand dahin, daß die Vorauszahlungen in etwa die anfallenden Nebenkosten abdecken (anderer Ansicht AG Eschweiler WuM 80, 233; AG Lübeck WuM 80, 250; AG Kassel WuM 79, 254). Die sich aus der Abrechnung ergebende Nachzahlungsforderung ist vielmehr, wenn keine Besonderheiten vorliegen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen, nicht auf einen bestimmten Prozentsatz der Vorauszahlungen beschränkt (LG Lübeck WuM 81, 45; Staudinger/Sonnenschein, 12. Aufl., zu § 4 MHRG, Rdn. 14).
Die Frage, welche besonderen tatsächlichen Umstände zu einem abweichenden Ergebnis führen können, bedarf keiner Beantwortung. Sie ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsentscheides.
Fundstellen