Leitsatz (amtlich)
Folgende Vereinbarung in Formularmietverträgen über Wohnraum verstößt nicht gegen das AGBG, insbesondere nicht gegen § 9 AGBG:
„Der Vermieter haftet nicht für Schäden, die dem Mieter an den ihm gehörenden Einrichtungsgegenständen durch Feuchtigkeitseinwirkungen entstehen, gleichgültig welcher Art, Herkunft, Dauer und welchen Umfangs die Feuchtigkeitseinwirkung ist, es sei denn, daß der Vermieter den Schaden vorsätzlich oder grobfahrlässig herbeigeführt hat”.
Verfahrensgang
AG Tettnang (Aktenzeichen 4 C 404/83) |
LG Ravensburg (Aktenzeichen 4 S 201/83) |
Tatbestand
I.
Von Februar bis Oktober 1982 waren die Kläger auf Grund eines am 6.1.1982 mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrages Mieter einer Wohnung im Hause Normenhorner Str. 26 in Kreßbronn.
§ 12 Abs. 3 des zwischen den Parteien auf Veranlassung der Beklagten verwendeten Formularmietvertrages (MV) lautet:
„Der Vermieter haftet nicht für Schäden, die dem Mieter an den ihm gehörenden Einrichtungsgegenständen durch Feuchtigkeitseinwirkungen entstehen, gleichgültig welcher Art, Herkunft, Dauer und welchen Umfangs die Feuchtigkeitseinwirkung ist, es sei denn, daß der Vermieter den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. …”
Bestandteil des Mietvertrages ist eine von den Parteien unterzeichnete, vorformulierte Erklärung, deren 4. Absatz folgenden Wortlaut hat:
„Auch die §§ 12 und 20 wurden besonders besprochen und dabei klargestellt, welche Folgen diese Bestimmungen haben.”
Im Sommer 1982 traten in der Wohnung der Kläger Schimmelbildungen auf, die auf bauliche Mängel, im wesentlichen auf unzureichenden Schutz gegen Bodenfeuchtigkeit zurückzuführen waren.
Die Kläger verlangen u.a. Ersatz für Schäden an Einrichtungsgegenständen und Garderobestücken, die durch die Feuchtigkeitseinwirkungen teilweise unbrauchbar geworden, teilweise in ihrem Wert gemindert seien.
Das Amtsgericht hat das Bestehen von Schadensersatzansprüchen verneint, weil ein vorsätzliches oder grobfahrlässiges Verhalten der Beklagten nicht vorliege, im übrigen Schadensersatzansprüche nach § 538 BGB durch den Mietvertrag wirksam abbedungen worden sei.
Die Kläger verfolgen mit der Berufung ihre Schadensersatzansprüche weiter. Sie sind der Ansicht, § 12 Abs. 3 MV verstoße gegen das AGBG und sei daher unwirksam.
Das Landgericht Ravensburg als Berufungsgericht hat am 29.12.1983 beschlossen, einen Rechtsentscheid zu folgender Frage einzuholen:
„Steht § 12 Nr. 3 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Formularmietvertrages vom 6.1.1982 in Einklang mit den Bestimmungen des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, insbesondere mit § 9 Abs. 2 Nr. 1 dieses Gesetzes?”
Es hält im Gegensatz zum Amtsgericht die genannte Vertragsbestimmung nicht für wirksam.
Die Parteien hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Vorlage ist zulässig.
a) Die vorgelegte Frage ist eine Rechtsfrage, die sich aus einem Mietverhältnis über Wohnraum ergibt (Art. III Abs. 1 S. 3 3. MietRÄndG). Das um den Erlaß eines Rechtsentscheides angegangene Gericht ist befugt, typische und häufig wiederkehrende Bestimmungen in Formularmietverträgen, die allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 1 AGBG, darstellen, auszulegen und auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen (BGHZ 84, 345 (348)). Daß die betreffende Klausel in einem Anhang zum Mietvertrag – ebenfalls in Formularform – erneut erwähnt und als besonders besprochen dargestellt wird, macht sie nicht zur Individualabrede (Palandt, BGB, 42. Aufl., § 1 AGBG 4 a; Münch. Komm. – Kötz –, § 1 AGBG, Rdn. 19 mit Zitaten).
b) Die vorgelegte Rechtsfrage ist auch entscheidungserheblich.
c) Schließlich ist sie von grundsätzlicher Bedeutung und – soweit ersichtlich – durch Rechtsentscheid bisher nicht beantwortet. Da das benutzte Vertragsformular nach den Feststellungen des Landgerichts häufig verwendet wird, ist zu erwarten, daß dieselbe Frage wiederholt auftreten wird.
2. Die aus der Beschlußformel ersichtliche Entscheidung des Senats beruht auf folgenden Erwägungen:
Nach § 538 BGB trifft den Vermieter bei anfänglichen Mängeln der Mietsache eine Schadensersatzpflicht ohne Rücksicht auf ein Verschulden. Diese gesetzliche Regelung gilt für alle Arten von Mietverträgen, auch für Mietverträge über Wohnraum. Im Gegensatz zu der Bestimmung des § 537 BGB, der dem Wohnraummieter bei Mängeln der Mietsache das Recht zur Minderung des Mietzinses gibt, unterliegt § 538 BGB der Parteidisposition, denn das Abdingbarkeitsverbot des § 537 Abs. 3 BGB wurde bei seiner Einführung im Jahre 1964 bewußt nicht auf § 538 BGB ausgedehnt (Staudinger-Emmerich, BGB, 12. Aufl., § 538, Rdn. 45).
Eine Grenze findet die Abdingbarkeit der Haftung nach § 538 BGB für alle Arten von Mietverträgen nur bei arglistigem Verschweigen des Mangels in § 540 BGB und bei grobfahrlässigem Verschulden nach § 11 Ziff. 7 AGBG; bei Verträgen, in denen vorformulierte Vertragsbedingungen verwendet werden.
Weiteren Einschränkungen unterliegt die Möglichkeit, die Haftung des Vermieter...