Leitsatz (amtlich)

1. Sinn und Zweck der Hinweispflicht in §§ 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO, 8a Abs. 4 JVEG ist nicht die Vermeidung von Gutachterkosten, sondern die Vermeidung der Überraschung der Parteien mit unerwartet hohen Kosten nach deren Entstehung.

2. Gibt der Sachverständige rechtzeitig den Hinweis auf die zu erwartende Überschreitung des bezahlten Auslagenvorschusses, so darf er, solange er keine gegenteilige Anweisung erhält, mit der Begutachtung fortfahren, ohne befürchten zu müssen, für diese Tätigkeiten später nur eine Vergütung bis zur Grenze des § 8a Abs. 4 JVEG zu erhalten.

 

Verfahrensgang

LG Tübingen (Beschluss vom 24.07.2017; Aktenzeichen 3 O 63/15)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Bezirksrevisorin gegen den Beschluss des Landgerichts Tübingen vom 24.07.2017, Az. 3 O 63/15, wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Bezirksrevisorin wendet sich als Vertreterin der Staatskasse mit ihrer Beschwerde vom 28.07.2017 dagegen, dass das Landgericht die dem Sachverständigen XXX aufgrund seiner zweiten Rechnung vom 28.02.2017 zu zahlende weitere Vergütung auf 1.667,41 EUR festgesetzt hat.

Sie beantragt, die Vergütung des Sachverständigen aus den von ihm insgesamt gestellten Rechnungen auf einen Gesamtbetrag von 2.500,00 EUR, dies entspricht dem tatsächlich eingezahlten Auslagenvorschuss, festzusetzen.

Der Sachverständige war mit Beweisbeschluss vom 4.12.2015 zum Sachverständigen bestellt und dann beauftragt worden, die in insgesamt drei ergangenen Beweisbeschlüssen gestellten Fragen in Form eines schriftlichen Gutachtens zu beantworten. Das Auftragsschreiben enthält eine Mitteilung zur Höhe des vorhandenen Auslagenvorschusses sowie eine Fristsetzung für die Erstattung des Gutachtens.

In der Folgezeit kam es zunächst zu Befangenheitsanträgen gegen den Referatsrichter und den Sachverständigen, welche beide scheiterten. Daraufhin wurde die Akte am 24.10.2016 erneut an den Sachverständigen übersandt, der sodann einen zweiten Ortstermin für die Begutachtung ansetzte, der mehrfach verlegt wurde. In dieser Zeit unterbreitete die Beklagte einen Vergleichsvorschlag, was zur Folge hatte, dass das Landgericht den Sachverständigen anwies, seine Tätigkeit einzustellen, damit die Klägerseite eine Entscheidung zum Vorschlag der Gegenseite treffen könne. Unter dem 29.11.2016 wurde der Sachverständige gebeten, mit der Begutachtung fortzufahren.

Mit Rechnung vom Dezember 2016 legte der Sachverständige eine Zwischenabrechnung vor, die weitgehend von der Kostenbeamtin zur Auszahlung angewiesen wurde. Zugleich wies er darauf hin, dass der restliche Vorschuss für die weitere Begutachtung nicht ausreiche und regte an, einen weiteren Vorschuss von 2.000,00 EUR anzufordern. Daraufhin forderte das Gericht bei der Beklagten den angeregten weiteren Auslagenvorschuss an und unterrichtete den Sachverständigen über diese Anforderung. Weitere Anweisungen ergingen nicht.

Am 16.01.2017 informierte der Sachverständige das Landgericht per Email darüber, dass der zweite Ortstermin wie vereinbart am 20.01.2017 durchgeführt werde. Hierauf reagierte das Gericht zunächst nicht, sondern wartete bis zum 03.02.2017 ab und bat erst mit Verfügung von diesem Tage den Sachverständigen, wegen der Nichtzahlung des angeforderten weiteren Auslagenvorschusses die Begutachtung einstweilen einzustellen, was dann umgehend erfolgte. Laut Verfügung des Landgerichts vom 13.04.2017 wurde der Sachverständige vom Gericht im Dezember 2016 gezielt nicht angewiesen, seine Tätigkeit einstweilen einzustellen, um weitere Verzögerungen zu vermeiden.

Mit Verfügung vom 23.2.2017 erklärte das Gericht die Beweisaufnahme für beendet, weil der Vorschuss trotz Anmahnung nicht eingegangen war.

Unter dem 28.2.2017 übersandte der Sachverständige ein Teilgutachten mit seinen bisherigen Ergebnissen und seine abschließende Rechnung, die mit einem Betrag von zu zahlenden weiteren 1.698,37 EUR endet.

Die Kostenbeamtin hat diese Rechnung geprüft und in Höhe von 1.667,41 EUR als grundsätzlich berechtigt anerkannt, aber unter Berufung auf § 8a Abs.4 JVEG lediglich 502,63 EUR zur Zahlung angewiesen. Dies entspricht dem noch nicht verbrauchten Teil des tatsächlich bezahlten Auslagenvorschusses.

Auf Antrag des Sachverständigen hat das Landgericht dann mit Beschluss vom 24.07.2017 die an den Sachverständigen aufgrund dessen zweiter Rechnung zu zahlende weitere Vergütung auf 1.667,41 EUR festgesetzt.

Die Bezirksrevisorin vertritt die Auffassung, der Sachverständige habe gegen die ihm obliegenden, nicht ausdrücklich gesetzlich geregelten, aber im Rahmen des § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO als selbstverständlich vorausgesetzten Pflichten als Sachverständiger verstoßen, mit seinem Hinweis auf die erhebliche Kostenüberschreitung sofort seine Tätigkeit als Gutachter einzustellen und abzuwarten, bis das Gericht ihn zur Fortführung des ihm erteilten Auftrages auffordert.

Der Sachverständige tritt dem entgegen und verweist nicht z...

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