Entscheidungsstichwort (Thema)

Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung, nach Erledigung der Hauptsache: wegen Kostenzuscheidung

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Entscheidung vom 21.12.1967; Aktenzeichen S 224/67)

AG Stuttgart (Aktenzeichen C 10 359/67)

 

Tenor

Widerspricht ein Mieter der Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum und verlangt er von dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 556 a Abs. 1 BGB, so hat das Gericht die Frage, ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift gegeben sind und der Mieter auf Grund seines Widerspruchs einen Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses hat, unabhängig davon zu prüfen, ob dem Mieter im Falle seiner Verurteilung zur Herausgabe der Wohnung eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO gewährt werden könnte, durch die die Härte für den Mieter beseitigt oder wesentlich gemildert werden würde.

 

Gründe

Die Beklagten bewohnten auf Grund eines Mietvertrags vom 31. Juli 1953 eine 3-Zimmerwohnung im Hause S. S. 31 in E. Nachdem in E. am 1. Juli 1966 das Mieterschutzgesetz außer Kraft getreten war und die Beklagten auf die Aufforderung der Klägerin zum Abschluß eines neuen Mietvertrags ab 1. Juli 1966 wegen der für sie ungünstigeren Vertragsbestimmungen nicht eingegangen waren, kündigte die Klägerin das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Jahresfrist zum 30. Juni 1967.

Mit Schreiben vom 22. März 1967 baten die Beklagten die Klägerin, den Räumungstermin auf den 1. November 1967 zu verlegen. Zur Begründung führten sie aus, ihr Sohn wolle in Schanbach ein Einfamilienhaus (Fertighaus) mit Einliegerwohnung für sie errichten, das voraussichtlich am 1. Oktober oder 1. November 1967 fertig werde; sollte die Klägerin ihrer Bitte nicht entsprechen, so erhöben sie Widerspruch gegen die Kündigung.

Die Klägerin entgegnete, daß sie den Widerspruch der Beklagten zurückweise und auf deren Auszug am 30. Juni 1967 bestehe.

Sie hat, nachdem die Beklagten sie nochmals auf das Bauvorhaben ihres Sohnes hingewiesen hatten, gegen die Beklagten Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung erhoben.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen und das Mietverhältnis bis 31. Dezember 1967 zu verlängern, hilfsweise, ihnen eine Räumungsfrist zu gewähren.

Das Amtsgericht hat durch Urteil vom 7. September 1967 die Klage abgewiesen, die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis 31. Dezember 1967 ausgesprochen und die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt mit dem Antrag, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung nach dem Klagantrag zu erkennen. Sie hat sich u.a. dagegen gewendet, daß das Amtsgericht das Mietverhältnis nach § 556 a BGB fortgesetzt und nicht die Beklagten unter Gewährung einer Räumungsfrist gem. § 721 ZPO bis zu dem voraussichtlicher Auszugstermin zur Räumung verurteilt hat.

Die Beklagten, die beantragt haben, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, hilfsweise, ihnen eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren, haben mit Schriftsatz vom 8. Januar 1968 angezeigt, daß sie an diesem Tage ausgezogen seien und die Wohnung an die Klägerin herausgegeben hätten. Im folgenden Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht haben beide Parteien erklärt, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei, und haben beantragt, jeweils der Gegenseite die Prozeßkosten aufzuerlegen.

Das Landgericht hat daraufhin gem. Art. III des 3. MietRÄndG vom 21. Dezember 1967 die Akten dem Oberlandesgericht zur Erteilung eines Rechtsentscheids über folgende Rechtsfrage vorgelegt:

„Darf ein Mietverhältnis gemäß § 556 a BGB verlängert werden, wenn das Schutzbedürfnis des Mieters schon durch die Gewährung einer Räumungsfrist nach § 721 ZPO befriedigt werden kann?

M.a.W.: Ist § 556 a BGB auch dann anwendbar, wenn übersehbar ist, daß innerhalb der längstmöglichen Räumungsfrist des § 721 ZPO die Härte für den Mieter beseitigt oder wesentlich gemildert werden kann?”

Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, daß es diese Frage bisher verneint habe. Die Parteien haben zu dieser Rechtsfrage ebenfalls Stellung genommen.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Rechtsentscheids sind gegeben. Es handelt sich, hier um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, über die bisher eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder eines Oberlandesgerichts nicht ergangen ist und von der die vom Landgericht nach Erledigung der Hauptsache zu treffende Kostenentscheidung abhängt.

Die Frage, ob auf den Widerspruch des Mieters ein Mietverhältnis nach § 556 a BGB auch dann verlängert werden kann, wenn übersehbar ist, daß innerhalb der längstmöglichen Räumungsfrist des § 721 ZPO die Härte für den Mieter beseitigt oder wesentlich gemildert werden kann, war für den zeitlichen Geltungsbereich des § 556 a BGB i.d.F. des 2. MietRÄndG vom 14. Juli 1964 (a.F.) im Schrifttum und in der Rechtsprechung stark umstritten, wie überhaupt die Ansichten über die Voraussetzungen für die Anwendung der sog. Sozialklausel des § 556 a BGB a.F. geteilt waren. Die in dieser Vorschrift e...

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