Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 30.09.2020; Aktenzeichen 20 O 190/20)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30. September 2020, Az. 20 O 190/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Ansprüche wegen eines etwaigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung in ein Dieselfahrzeug.

Der Kläger erwarb am 18. März 2015 für 49.990,- EUR ein von der Beklagten hergestelltes Fahrzeug XY, in dem ein Dieselmotor des Typs "OM 642", Schadstoffklasse Euro 6, eingebaut war; der Kilometerstand betrug 45.000 km. Am 24. September 2020, dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz, betrug der Kilometerstand 109.666 km.

Der Kläger verlangte Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich der Gebrauchsvorteile Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Der Kläger trug vor, in dem Fahrzeug komme eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer temperaturgesteuerten Abgasrückführung zum Einsatz, bei der außerhalb von Umgebungstemperaturen von 20°C bis 30°C die Abgasreinigungsleistung reduziert bzw. gänzlich eingestellt werde. Daneben enthalte die Steuerungssoftware eine weitere unzulässige Abschalteinrichtung, durch die die Wirkung des SCR-Systems reduziert werde, wodurch die Stickoxidemissionen anstiegen; das Fahrzeug schalte in einen anderen Modus, nachdem eine bestimmte Menge Stickoxid von den Stickoxid-Sensoren nach Motorstart gemessen worden sei.

Die Beklagte behauptete, im vorliegenden Fahrzeug sei keine manipulative Umschaltlogik verbaut, die den Prüfstand erkenne und als Folge auf dem Prüfstand ein anderes Emissionsverhalten erzeuge als auf der Straße. Das Abgasrückführungssystem im streitgegenständlichen Fahrzeug sei selbst bei zweistelligen Minusgraden noch aktiv.

Im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage weit überwiegend stattgegeben und sie (nur) hinsichtlich eines Teilbetrages von 3.198,22 EUR (sowie - für das Berufungsverfahren nicht von Bedeutung - weiterer 58,02 EUR bei den Rechtsanwaltskosten, einiger Zinstage und der Feststellung des Annahmeverzuges) abgewiesen. Es hat die teilweise Abweisung insoweit damit begründet, dass der Kläger sich im Wege des Vorteilsausgleichs die von ihm gezogenen Nutzungen auf der Basis einer vom Gericht nach § 287 ZPO geschätzten Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 250.000 km anzurechnen lassen habe. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Der Kläger wendet sich mit der Berufung gegen die Höhe der Nutzungsentschädigung. Er ist der Auffassung, das Landgericht habe die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs mit 250.000 km zu gering bemessen, sondern hätte vielmehr eine solche von mindestens 300.000 km zugrunde legen müssen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30. September 2020, 20 O 190/20, teilweise zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 3.091,97 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. April 2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte, die zudem Anschlussberufung eingelegt hat, verteidigt insoweit die angegriffene Entscheidung. Sie ist hierzu der Auffassung, die durchschnittlich zu erwartende Gesamtfahrleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps betrage 200.000 bis maximal 250.000 km.

Zum Vortrag der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat nach übereinstimmender Auffassung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts und eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich der weitergehenden Hauptforderung zu Recht abgewiesen. Die Schätzung der Gesamtlaufleistung auf 250.000 km hält auch der Senat vorliegend für richtig.

1. Das Landgericht hat - was von der Berufung auch nicht beanstandet wird - im Wege des Vorteilsausgleichs dem Kläger die von ihm gezogenen Nutzungen angerechnet (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris, Rn. 64 ff.) und dabei unter Anwendung der vom Bundesgerichtshof gebilligten Berechnungsmethode die zu erwartende Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs zugrunde gelegt (vgl. z. B. BGH, Urteile vom 19. Januar 2021 - VI ZR 8/20, juris, Rn. 13 ff., und vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris, Rn. 78 ff.).

2. Das Landgericht hat seine - von der Berufung angegriffene - Schätzung der Gesamtlaufleistung auf 250.000 km zwar nicht näher begründet, indes teilt der Senat die Schätzung des Landgerichts und hält diese gemäß § 287 ZPO vorliegend für zutreffend.

a) Der Senat orienti...

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