Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachlasssachen. Übergangsrecht. Amtsverfahren. Antragsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Übergangsrecht: In Nachlasssachen ist bei der Anwendung der Übergangsvorschrift des Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG RG zu unterscheiden, ob es sich um eine Verrichtung des Nachlassgerichts von Amts wegen (z.B. Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht gem. § 2200 Abs. 1 BGB) oder um ein ausschließliches Antragsverfahren (z.B. Erbscheinserteilungsverfahren gem. § 2353 BGB) handelt. Ein Amtsverfahren wird i.S.d. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG RG eingeleitet durch den Todesfall, ein Antragsverfahren durch den Eingang des Antrags beim Nachlassgericht.

 

Normenkette

FGG-RG Art. 111 Abs. 1 S. 1; BGB § 2200 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Notariat Ulm I - Nachlassgericht (Beschluss vom 12.10.2009; Aktenzeichen I NG 196/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Ablehnung der Ernennung eines Testamentsvollstreckers vom 12.10.2009 - I NG 196/2009, durch das Notariat Ulm I - Nachlassgericht - wird die Sache unter Aufhebung des Vorlagebeschlusses (Verfügung vom 1.7.2009?) an das Notariat Ulm I - Nachlassgericht - zurückgegeben.

 

Gründe

1. Die Erblasserin hat durch notarielles Testament vom 24.6.2009 den Beschwerdeführer als Alleinerben eingesetzt und gleichzeitig alle von ihr einseitig getroffenen letztwilligen Verfügungen widerrufen.

Zu Lebzeiten ihres vorverstorbenen Ehemannes hatte sie am 17.11.1987 mit diesem einen notariellen Erbvertrag abgeschlossen, in dem sie unter Ziffer V. Verfügungen getroffen hatte, "falls sie Überlebender der Ehegatten sein sollte".

In Ziffer V.02. ist ein Vermächtnis zugunsten der Kinder ihres Ehemannes enthalten, das sie in dem Testament vom 24.6.2009 unter Ziff. IV.1.a) bestätigt hat.

In dem Erbvertrag hatte sie weiterhin unter Ziffer V.03. Testamentsvollstreckung angeordnet mit dem alleinigen Aufgabenbereich, das vorstehende Vermächtnis ggü. dem Alleinerben geltend zu machen und zu erfüllen sowie dieses für die Vermächtnisnehmer zu verwalten, zu verwerten und den Reinertrag diesen entsprechend ihrer Beteiligung zur Verfügung zu stellen.

In Ziffer VII. (Schlussbestimmungen) des Erbvertrags ist u.a. geregelt:

"01. Die Bestimmungen dieses Erbvertrags sind insoweit vertragsmäßig getroffen, als sich die Ehegatten gegenseitig bedenken; ebenso ist das Vermächtnis in Abschnitt V Ziff. 2 vertragsmäßig getroffen.

Die übrigen Bestimmungen sind einseitiger Natur.

O2. Über das Wesen der erbvertraglichen Bindung sind wir belehrt worden. Der Überlebende ist also auch nach Annahme der Alleinerbschaft berechtigt, die von ihm auf seinen Tod getroffenen Bestimmungen beliebig abzuändern oder aufzuheben, mit Ausnahme der Vermächtnisanordnung in Abschnitt V Ziff. 02."

Die Erblasserin verstarb am 29.6.2009. Die Testamentseröffnung bezüglich des Erbvertrags vom 17.11.1987 und des Testaments vom 24.6.2009 erfolgte durch das Nachlassgericht am 1.7.2009.

Am 17.9.2009 ersuchte der Beschwerdeführer das Nachlassgericht um Ernennung eines geeigneten Testamentsvollstreckers, was vom Notariat am 12.10.2009 abgelehnt wurde.

Hiergegen richtet sich die am 21.10.2009 eingegangene Beschwerde des Beschwerdeführers mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 20.10.2009.

Das Nachlassgericht sieht die Anordnung einer Testamentsvollstreckung in dem Erbvertrag durch das spätere Testament als widerrufen an und verneint darüber hinaus die Notwendigkeit einer Testamentsvollstreckung. Der Beschwerdeführer hält eine solche für erforderlich und vertritt die Auffassung, dass ein Widerruf der Anordnung wegen des Sachzusammenhangs mit dem Vermächtnis nicht erfolgt sei.

Das Notariat hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

2. Zuständig für das Beschwerdeverfahren ist nicht das OLG gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG n.F., sondern das LG nach §§ 19 Abs. 2, 30 FGG a.F. (Zimmermann in Keidel, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 345 FamFG Rz. 46; § 342 FamFG Rz. 1).

Denn für das vorliegende Beschwerdeverfahren ist das alte Recht anwendbar nach Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG (Engelhardt in Keidel, a.a.O., Art. 111 FGG-RG Rz. 2) mit dem Instanzenzug Nachlassgericht/Notariat (§ 38 LFGG BW) - LG - OLG, so dass zunächst das LG zur Entscheidung berufen ist.

Es handelt sich vorliegend um die Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht gem. § 2200 Abs. 1 BGB, nachdem es um die Streitfrage geht, ob das Ersuchen der Erblasserin in Ziffer V. 03. des Erbvertrags an das Nachlassgericht auf Ernennung eines geeigneten Testamentsvollstreckers durch das spätere Testament widerrufen wurde. Hierbei handelt es sich aber um eine Verrichtung des Nachlassgerichts von Amts wegen (Winkler in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl. 2003/2005, Vorbem. zu §§ 72-99 Rz. 1 ff., insb. Rz. 3), zu der das Notariat mit der Eröffnung und damit Kenntnisnahme des Erbvertrags und des notariellen Testaments am 1.7.2009 verpflichtet war, nicht aber erst durch das entsprechende Ersuchen des Beschwerdeführ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge