Leitsatz (amtlich)
1. § 42 a Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 WaffG, wonach das Führen eines Einhandmessers erlaubt ist, wenn dies einem allgemein anerkannten Zweck dient, genügt dem Bestimmtheitserfordernis des Art. 103 Abs. 2 GG.
2. Das Führen eines Einhandmessers in einem Pkw durch eine Privatperson, um damit in einem eventuellen Notfall den Sicherheitsgurt durchschneiden zu können, dient keinem allgemein anerkannten Zweck i. S. d. § 42 a Abs. 3 WaffG.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 2; OWiG § 11 Abs. 2; WaffG § 42a
Verfahrensgang
AG Stuttgart (Entscheidung vom 25.11.2010; Aktenzeichen 5 OWi 36 Js 82031/10) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 25. November 2010 wird als unbegründet
v e r w o r f e n.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Gründe
I. Das Amtsgericht verhängte gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit des verbotswidrigen Führens zweier Einhandmesser gem. § 53 Abs.1 Nr.21 a i. V. m. § 42 a Abs.1 Nr.3 1. Alt. WaffG eine Geldbuße von 200 Euro. Es zog zudem die beiden sichergestellten Einhandmesser ein.
Nach den Feststellungen bewahrte der Betroffene anlässlich einer polizeilichen Routinekontrolle in ..., am 25. April 2010 gegen 3:10 Uhr in seinem PKW im Seitenfach der Fahrertür zwei griffbereite Einhandmesser - eines deutlich sichtbar - auf. Er führte die Einhandmesser bewusst und gewollt mit sich.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit der Sachrüge und führt u. a. aus, die Vorschrift des § 42 a WaffG entspreche nicht dem Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes. Sie verlange zudem eine andere Definition des "Führens" als sonst im WaffG, das Aufbewahren eines Einhandmessers im Seitenfach der Fahrertüre eines Fahrzeugs werde davon nicht erfasst. Ihm sei zu Unrecht ein berechtigtes Interesse am Führen der Messer abgesprochen worden. Er habe in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum gehandelt, die geänderte Rechtslage sei der Allgemeinheit völlig unbekannt.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Rechtsbeschwerde gem. § 349 Abs.2 StPO, 79 Abs.3 OWiG als unbegründet zu verwerfen.
II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, da es das Amtsgericht unterlassen hat, eine Wertfestsetzung bezüglich der beiden eingezogenen Messer im Urteil vorzunehmen (s. Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 79 Rn.6). Hier war zudem naheliegend, dass durch Addition des Werts der beiden Messer und der Geldbuße die Wertgrenze von 250 Euro überschritten wird (s. hierzu KG VRS 85, 125).
Der Einzelrichter hat die Sache zur Fortbildung des Rechts auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (§ 80 a Abs.3 S.1 OWiG).
III. 1. Das Amtsgericht hat zu Recht den Tatbestand der Bußgeldvorschrift des § 53 Abs.1 Nr. 21 a i. V. m. § 42 a Abs.1 Nr.3 1. Alt. WaffG bejaht.
a) Der vom Amtsgericht festgestellte Sachverhalt trägt die Würdigung, die vom Betroffenen in seinem PKW im Seitenfach der Fahrertür aufbewahrten Messer seien Messer mit einhändig feststellbarer Klinge (Einhandmesser) i. S. d. § 42 a Abs.1 Nr.3 1. Alt. WaffG.
(1) Die Regelung des § 42 a WaffG, die u. a. das Führen von Einhandmessern untersagt, sowie die entsprechende Bußgeldbewehrung des 53 Abs.1 Nr. 21 a WaffG wurden durch Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften vom 26. März 2008 ins Waffengesetz eingefügt und gelten seit 1. April 2008. Der Gesetzgeber knüpfte mit dem Begriff "Einhandmesser" an einen im Rahmen einer Sachverständigenanhörung im Innenausschuss am 13. Februar 2008 ((BT-Drs. 16/8224, S.14) (wohl empirisch) ermittelten Befund an, die Einhandmesser hätten "besonders in Gestalt von zivilen Varianten so genannter Kampfmesser bei vielen gewaltbereiten Jugendlichen den Kultstatus des 2003 verbotenen Butterflymessers übernommen". Nach der Definition in § 42 a Abs.1 Nr.3 WaffG handelt es sich dabei um ein Messer mit einer einhändig feststellbaren Klinge. Dies sind - allgemeinem Sprachgebrauch und der Verkehrsanschauung folgend - solche Messer, deren Klinge mit der das Messer führenden Hand aufgeklappt bzw. ausgefahren/ausgeschwenkt und festgestellt werden kann; es müssen dabei konstruktive Merkmale vorhanden sein, die das Bedienen der Messer mit einer Hand erlauben (Gade, Basiswissen Waffenrecht, 3. Aufl. 2011, S.48; Ullrich, Waffenrechtliche Erlaubnisse, Verbringen, Mitnahme, 2008, S.45 unter Bezugnahme auf ein Protokoll zur Tagung der Arbeitsgruppe Waffentechnik/Waffenrecht vom 22.4.2008 im BKA (S.3)). Dabei kommt es für das Verbot von Einhandmessern nicht auf deren Klingenlänge an (Erbs-Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, WaffG § 53 Rn. 42; Hinze-Runkel, Waffenrecht, § 42a Rn. 5; Heller/Soschinka, Waffenrecht, 2. Aufl., Rn.521).
(2) Durch die Beschreibung der Messer im Urteil des Amtsgerichts in Kombination mit einer ausdrücklichen Verweisung auf das in der Akte befindliche Lichtbild der Messer gem. § 267 Abs.1 S.3 StPO i.V.m. § 71 Abs.1 OWiG wird der Senat hier ausreichend in die Lage versetzt, die Subsumtion eigenständig nachzuvollziehen. Auf...