Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Ablehnungsgesuch auf Äußerungen dritter Personen gestützt, ist im Rahmen der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch die gemäß §§ 44 Abs. 3 i.V.m. 406 ZPO gebotene Anhörung des Sachverständigen zu berücksichtigen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 15.6.1976 - 4 W 282/76, juris Rn. 22; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.8.1983 - 7 W 10/83, NJW 1984, 1413).
2. Es stellt keinen Befangenheitsgrund dar, wenn der Gerichtssachverständige vor längerer Zeit (hier: bis vor ungefähr 10 Jahren) am (wissenschaftlichen) Institut einer Professorin beschäftigt war, die für eine Partei oder ein mit dieser verbundenes Unternehmen in derselben Angelegenheit nun ein Privatgutachten erstattet hat. Auch der Umstand, dass diese Professorin damals seine "Doktormutter" war, rechtfertigt nicht die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit.
3. Stellt ein Bausachverständiger im Rahmen seiner Begutachtungstätigkeit einen - möglicherweise nicht vom Beweisthema umfassten - Fehler fest und ist dieser Fehler mit einer aktuellen Gefahr für Leib oder Leben von Personen verbunden oder kann der Fehler zu einem nicht unerheblichen Vermögensschaden führen, ist er nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zur Gefahrenabwehr berechtigt, die betroffene Partei des Rechtsstreits hiervon in Kenntnis zu setzen. Mit einem solchen Hinweis zur Gefahrenabwehr setzt sich der Sachverständige nicht dem Vorwurf der Befangenheit aus.
Normenkette
ZPO § 42 Abs. 2, § 406 Abs. 1 S. 1, § 485 ff
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 05.02.2016; Aktenzeichen 12 OH 12/14) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin 1 gegen den Beschluss des LG Stuttgart vom 05.02.2016, Az. 12 OH 12/14, wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Wert des Beschwerdeverfahrens: 895.701,10 EUR
Gründe
I. Prof. Dr.-Ing. X (i. F. nur: Sachverständiger) ist im vorliegenden selbständigen Beweisverfahren, das die Frage der Mangelhaftigkeit von Kranbahnen in einem Presswerk mit Komponentenfertigung für die Herstellung von Karosserieteilen in K. betrifft, mit Beschluss vom 26.1.2015 mit der Gutachtenerstattung beauftragt worden.
Das LG hat mit Beschluss vom 5.2.2016 das Ablehnungsgesuch der Antragsgegnerin 1 vom 26.11.2015 gegen den Sachverständigen zurückgewiesen. Gegen diesen ihr am 10.2.2016 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin 1 mit ihrer am 23.2.2016 beim LG eingegangenen sofortigen Beschwerde.
Das LG hat mit Beschluss vom 3.5.2016 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.
1. Grundsätzlich ist die Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit auch im selbstständigen Beweisverfahren möglich (§§ 492 Abs. 1, 406 Abs. 1 ZPO).
2. Das Ablehnungsgesuch ist nicht begründet.
Gemäß § 406 Abs. 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden, also wegen persönlicher Beziehungen zu einer Partei (§ 41 ZPO) oder wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 42 ZPO). Für die Besorgnis der Befangenheit genügt jede Tatsache, die ein auch nur subjektives Misstrauen der Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise rechtfertigen kann. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Sachverständige schon ein entgeltliches Privatgutachten in derselben Sache für eine Partei oder deren Haftpflichtversicherung erstattet hat, ebenso wenn er Angestellter einer Partei war oder ist (vgl. die zahlreichen Beispiele aus der Rechtsprechung bei Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 406 Rn. 8).
a) Der Umstand, dass der Sachverständige bis 2006 am Institut von Frau Prof. Dr.-Ing. Y beschäftigt war, die in der verfahrensgegenständlichen Sache privatgutachterlich im Auftrag der Antragstellerin oder der mit dieser verbundenen D. AG tätig gewesen ist, begründet ebenso wie der Umstand, dass der von ihr erstellte Bericht vom 24.9.2014 von der Antragstellerin in das Verfahren eingeführt wurde, keine Besorgnis der Befangenheit. Anders als in dem von der Beschwerdeführerin zitierten Verfahren vor dem OLG Köln (Beschluss vom 13.1.1992 - 13 W 1/92), in welchem der Sachverständige und der Geschäftsführer einer Partei über mehrere Jahre wissenschaftlich zusammengearbeitet hatten und der Sachverständige bei dem Geschäftsführer promoviert hatte, ergeben sich daraus, dass der Gerichtssachverständige bis 2006 am (wissenschaftlichen) Institut einer Professorin beschäftigt war, die für eine Partei oder ein mit dieser verbundenes Unternehmen in derselben Angelegenheit im Jahr 2014 ein Privatgutachten erstattet hat, bei verständiger Würdigung einer vernünftigen Partei keine Zweifel daran, dass der Sachverständige sein Amt nicht neutral ausüben werde. Die Annahme, der Sachverständige stehe der Sache nicht mehr unvoreingenommen gegenüber, weil die Leiterin des Instituts, an dem er bis 2006 tätig war, die zugleich seine "Dok...