Leitsatz (amtlich)
Die Staatskasse kann sich gegenüber einem aufgrund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt im Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 55 RVG zwar grundsätzlich auf einen vorliegenden Anrechnungstatbestand gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV berufen, wenn im Verhältnis zwischen dem Beigeordneten und seinem Mandanten für eine vorgerichtliche Tätigkeit über denselben Gegenstand eine Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 RVG-VV entstanden ist. Diese Berufung ist der Staatskasse jedoch verwehrt, soweit eine Zahlung des Mandanten auf die anrechenbare zweite Hälfte der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nicht in einem Umfang vorliegt, durch den auch der von der Staatskasse gem. § 49 RVG zu tragende Teil der Gebühren des beigeordneten Bevollmächtigten getilgt ist.
Normenkette
RVG §§ 49, 55; RVG-VV Nr. 2300; RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4
Verfahrensgang
AG Tuttlingen (Beschluss vom 14.11.2007; Aktenzeichen 2 F 485/07) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Familienrichters des AG Tuttlingen - FamG - vom 14.11.2007 - 2 F 485/07, abgeändert:
Auf die Erinnerung des Beschwerdeführers wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des AG Tuttlingen vom 11.10.2007 dahin abgeändert, dass zusätzlich zu den festgesetzten 73,90 EUR weitere 41,77 EUR, damit insgesamt 115,67 EUR als Vergütung gegen die Staatskasse festgesetzt werden.
2. Die Verfahren über die Erinnerung und die Beschwerde sind gebührenfrei. Kosten werden in beiden Verfahren nicht erstattet.
Gründe
I. Im Hauptsacheverfahren wegen Auskunftserteilung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt erging am 3.9.2007 gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil, durch das ihm die Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden.
Für einen Streitwert von 500 EUR war den Klägern unter Beiordnung des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 2.8.2007 ab 23.6.2007 Prozesskostenhilfe ohne Zahlungspflichten bewilligt worden.
Mit Antrag vom 4.9.2007 hat der Beschwerdeführer die Festsetzung seiner Vergütung gem. § 55 RVG i.H.v. insgesamt 115,67 EUR beantragt und bestätigt, dass er bislang keine Zahlungen auf seine Gebühren erhalten hat.
Die Urkundsbeamtin des AG hat die Vergütung des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 11.10.2007 auf nur 73,90 EUR festgesetzt.
Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund vorgerichtlicher Tätigkeit des Beschwerdeführers sei gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV die Hälfte der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr mit einem Satz von 0,65 auf die im gerichtlichen Verfahren entstandene 1,3-Verfahrensgebühr anzurechnen.
Die gegen diesen Festsetzungsbeschluss eingelegte Erinnerung des Beschwerdeführers hat der Richter des AG mit Beschluss vom 14.11.2007 zurückgewiesen. Die Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Der Richter ist der Begründung der Kostenbeamtin gefolgt, wonach aus der Bestimmung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV entsprechend der Entscheidung des BGH vom 7.3.2007 (NJW 2007, 2049) folge, dass eine vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr mit der auf die spätere Verfahrensgebühr anzurechnenden Hälfte stets im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen sei, so dass dort nur noch die gekürzte Verfahrensgebühr festgesetzt werden könne.
Gegen den ihm am 6.12.2007 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer per Telefax am 18.12.2007 Beschwerde eingelegt, weil die Anrechnung nicht zu erfolgen habe.
Der Richter des AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 2 RVG aufgrund der Zulassung durch das AG statthaft, obwohl eine Beschwer von über 200 EUR nicht vorliegt. Das Rechtsmittel ist auch sonst zulässig; insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
In der Sache hat die Beschwerde Erfolg.
Dem aufgrund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beigeordneten Beschwerdeführer steht - unabhängig vom Ausgang des zugrunde liegenden Rechtsstreits (Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl. 2007, § 55 RVG Rz. 1, § 59 RVG Rz. 1) - ein Anspruch auf Festsetzung einer 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV in ungekürzter Höhe zu, weil er von den Klägern keine Zahlung auf die vorg richtlich entstandene 1,3-Geschäftsgebühr erhalten hat.
1. Die Staatskasse kann sich gegenüber einem aufgrund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt im Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 55 RVG zwar grundsätzlich auf einen vorliegenden Anrechnungstatbestand gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV berufen, wenn im Verhältnis zwischen dem Beigeordneten und seinem Mandanten für eine vorgerichtliche Tätigkeit über denselben Gegenstand eine Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 RVG-VV entstanden ist. Diese Berufung ist der Staatskasse jedoch verwehrt, soweit eine Zahlung des Mandanten auf die anrechenbare zweite Hälfte der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nicht in einem Umfang vorliegt, durch den auch der von der Staatskasse gem. § 49 RVG ...