Leitsatz (amtlich)

Die Vorschriften der Richtlinie 2007/46/EG bezwecken nicht den Schutz der Vermögensinteressen des Erwerbers eines Kraftfahrzeugs (hier: vom sog. Abgasskandal betroffener Diesel-PKW); ein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch besteht infolgedessen nicht.

 

Normenkette

BGB § 839; Richtlinie 2007/46/EG

 

Verfahrensgang

LG Ravensburg (Aktenzeichen 4 O 93/20)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 29.10.2020, Az. 4 O 93/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 15.3.2021.

 

Gründe

I. Die zulässige Berufung hat nach einhelliger Auffassung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 ZPO). Das angefochtene Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerseite zeigt in der Berufungsbegründung weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht entscheidungserhebliche Fehler oder Versäumnisse des Landgerichts auf.

1. Zwar mögen Zweifel bestehen, ob das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse fehlt, weil es der Klägerseite möglicherweise zuzumuten gewesen wäre, ihr Begehren im Wege der Leistungsklage zu verfolgen, und es nach ihren eigenen Darlegungen fraglich erscheint, ob der Eintritt eines auf die behauptete Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens wahrscheinlich ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 25.08.2020, Az. 1 U 3827/20; OLG Oldenburg, Beschluss vom 13.08.2020, Az. 6 U 4/20; OLG Köln, Beschluss vom 29.12.2020, Az. 7 U 86/20); letztlich kann dies aber dahinstehen. Das Feststellungsinteresse ist nur für ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung, nicht aber für ein Urteil, durch welches die Klage als unbegründet abgewiesen wird (BAG Urteil vom 12.2.2003 - 10 AZR 299/02 - zitiert nach Juris Rdn. 48; BGH Beschluss vom 26.09.1995 - KVR 25/94- zitiert nach Juris Rdn. 47; BGH Urteil vom 26.10.1990 - V ZR 105/89 - zitiert nach Juris Rdn. 7; Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., 256 Rn. 7). Der Klägerseite steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch indes nicht zu (vgl. 2.).

2. Der Feststellungsantrag ist jedenfalls nicht begründet. Der Klägerseite steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch zu. Die Voraussetzungen für den klägerseits geltend gemachten europarechtlichen Staatshaftungsanspruch sind nicht gegeben.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kommt eine Haftung des Mitgliedstaats in Betracht, wenn er gegen eine Norm des Unionsrechts verstößt, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen (vgl. a.), wenn der Verstoß hinreichend qualifiziert ist (vgl. b.) und wenn zwischen diesem Verstoß und dem Schaden des Einzelnen ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (EuGH, Urteile vom 19.11.1991 - C-6/90 und C-9/90 - Francovich; vom 25.03.1996 - C-46/93 und C 48/93 - Brasserie du Pecheur und Facortame und 24.03.2009 - C-445/06 - Danske Slagterier). Dieser Anspruch erfasst alle Bereiche staatlichen Handelns und damit auch das vorliegend in Frage stehende legislative Unrecht durch fehlerhafte Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht durch den Gesetzgeber (EuGH, Urteil vom 19.11.1991, aaO.). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, haben die nationalen Gerichte unter Beachtung der vom EuGH entwickelten Leitlinien festzustellen (EuGH, Urteil vom 01.06.1999 - R. C 302/97 - Konle; BGH, Urteil vom 22.01.2009 - III ZR 233/07).

a. Es fehlt im Streitfall bereits an einer europarechtlichen Norm, die dem Schutz der Fahrzeugkäufer dient und bezweckt, diesen insoweit Rechte eigene Rechte zu verleihen.

aa. Die Richtlinie 2007/46 bzw. die von der Klägerseite herangezogenen Normen (Art. 8, 12, 46) gewährleisten für den klägerseits konkret geltend gemachten Schaden keinen Individualrechtsschutz. Worauf schon das OLG München (aaO.) zutreffend hingewiesen hat, wurde diese Rechtsfrage letztlich vom BGH in seinen Grundsatzentscheidungen vom 25.05.2020 (Az. VI ZR 252/19) und 30.07.2020 (Az. VI ZR 5/20) indirekt mit entschieden, auch wenn es dort um Ansprüche eines Käufers gegen den Hersteller eines vom "Dieselskandal" betroffenen Fahrzeugs und entsprechend um die Erteilung einer Übereinstimmungsbescheinigung nach Art. 18 in Verbindun...

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