Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 17 O 120/20) |
Tenor
1. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
2. Der Streitwert für beide Rechtszüge wird jeweils auf bis zu ... EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger hat im - zwischenzeitlich übereinstimmend für erledigt erklärten - Verfahren gegen die Beklagte als Fahrzeugherstellerin Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines mit einem Dieselmotor ausgestatteten Fahrzeugs geltend gemacht.
Der Kläger erwarb am 15.12.2014 den streitgegenständlichen Porsche Cayenne 3,0 TDI. Das Fahrzeug ist mit einem von der ... hergestellten Motor des Typs EA 896 Gen2 ausgestattet und unterfällt der Schadstoffklasse Euro 6. Das Fahrzeug ist von einem amtlichen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung erfasst.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat im Berufungsverfahren zuletzt beantragt (Schriftsatz vom 26.01.2024):
...
Die Beklagte hat beantragt:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 14.03.2024 hat der Kläger den Rechtsstreit insgesamt für erledigt erklärt. Mit Schriftsatz vom 02.04.2024 hat sich die Beklagte der Erledigungserklärung angeschlossen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf den gesamten Akteninhalt des erstinstanzlichen und des Berufungsverfahrens Bezug genommen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91a Abs. 1 ZPO.
Die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Der Senat hat deshalb unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen darüber zu entscheiden, wie die Kosten des Rechtsstreits zu verteilen sind. Ausschlaggebend ist hierbei insbesondere der ohne die Erledigterklärung zu erwartende Verfahrensausgang, wobei lediglich eine summarische Prüfung der jeweiligen Erfolgsaussichten zu erfolgen hat.
Vorliegend sind deshalb dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da er ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses im Rechtsstreit, insbesondere auch in der Berufungsinstanz, voraussichtlich unterlegen wäre.
A. Der geltend gemachte Anspruch gemäß §§ 826, 31 BGB oder nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz auf den sogenannten großen Schadensersatz stand dem Kläger nicht zu, vielmehr hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Es kann nicht festgestellt werden, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter (§ 31 BGB) der Beklagten durch das Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit dem streitgegenständlichen Motor sittenwidrig gehandelt hat.
Dies würde voraussetzen, dass ein solcher Vertreter sowohl die objektiven als auch die subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllt hat.
a) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr. des BGH, vgl. nur Urteile vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 15; vom 7. Mai 2019 - VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn. 8; vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 16 mwN). Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteile vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 15; vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 16 mwN). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urteile vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 15; vom 7. Mai 2019 - VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn. 8 mwN). Ob das Verhalten des Anspruchsgegners sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB ist, ist dabei eine Rechtsfrage.
Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert i...