Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufteilung der gerichtlichen Gebühren und Auslagen auf die Verfahrensbeteiligten nach der Neufassung des § 94 Abs. 3 S. 2 KostO
Leitsatz (amtlich)
1. Nach der Neufassung von § 94 Abs. 3 S. 2 KostO mit Wirkung ab 1.1.2002 ist eine an der Billigkeit und dem Verfahrensausgang orientierte Aufteilung der gerichtlichen Gebühren und Auslagen auf die Verfahrensbeteiligten vorzunehmen oder von der Erhebung solcher Kosten abzusehen.
2. Über die Tragung gerichtlicher Auslagen ist auch dann nach § 94 Abs. 3 S. 2 KostO zu entscheiden, wenn nach Rücknahme gestellter Anträge oder sonstiger Erledigung des Verfahrens eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergeht.
3. Pflegeeltern sind im Streit um die Kindesherausgabe oder Verbleibensanordnung nicht generell von Gerichtskosten befreit.
4. Der Antrag auf Kindesherausgabe und der Gegenantrag auf Verbleibensanordnung betreffen den selben Verfahrensgegenstand. Daher ist der Regelwert von 3.000 EUR nur einmal anzusetzen.
Normenkette
BGB § 1632 Abs. 4; FGG § 20a Abs. 2; KostO §§ 2, 5, 30-31, 91, 94
Verfahrensgang
AG Reutlingen (Beschluss vom 03.11.2004; Aktenzeichen 6 F 645/2004) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des AG Reutlingen - FamG vom 3.11.2004 (6 F 645/04) in seiner Ziff. 1 S. 1 (Gerichtskosten) abgeändert.
Die Antragsgegnerin trägt die Hälfte der Gerichtskosten. Im Übrigen wird von der Erhebung von Gerichtskosten im ersten Rechtszug abgesehen.
2. Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller wird Ziff. 2 des Beschlusses vom 3.11.2004 (Gegenstandswert) abgeändert.
Der Gegenstandswert des Verfahrens in erster Instanz wird auf 3.000 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Gerichtskosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.
4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens betreffend die Kosten des ersten Rechtszuges beträgt bis 1.500 EUR.
Gründe
I. Die Beteiligten stritten im erstinstanzlichen Verfahren um den Aufenthalt des Kindes L.K., geb. am 24.11.2002. Das Kind lebt seit seiner Geburt im Rahmen einer Vollzeitpflege bei den Antragstellern. Grund dafür ist, dass die Antragsgegnerin, welche für L. allein sorgeberechtigt ist, aufgrund manischer Depression und leichter Minderbegabung der Erziehungsverantwortung nicht gewachsen ist. Auch die Antragsgegnerin lebte in psychiatrischer Familienpflege bei den Antragstellern, soweit sie sich nicht in stationärer Krankenhausbehandlung befand. Aufgrund bestehender Anpassungsschwierigkeiten der Antragsgegnerin und sich zuspitzender Konflikte mit den Antragstellern verließ die Antragsgegnerin die Familie der Antragsteller und lebt seit 1.2.2004 bei der Familie S., während L. weiterhin bei den Antragstellern untergebracht ist.
Die Antragsgegnerin äußerte nach ihrem Auszug den Wunsch, das Pflegeverhältnis vom L. bei den Antragstellern zu beenden und die Vollzeitpflege in der Familie S. weiter zu führen, womit diese einverstanden war. Anfang Juni 2004 beantragten die Antragsteller, den Verbleib von L. in ihrer Familie anzuordnen, hilfsweise ergänzend ihnen das Recht der Aufenthaltsbestimmung zu übertragen. Die Antragsgegnerin trat dem entgegen und ließ über ihre Rechtsanwältin beantragen, dass die Antragsteller verpflichtet werden, L. an sie herauszugeben. Hiermit sollte ein Wechsel von L. in die Pflegefamilie S. ermöglicht werden.
Im Verhandlungstermin vor dem FamG sprachen sich die Verfahrenspflegerin und auch die Vertreter des Jugendamtes für einen Verbleib von L. bei den Antragstellern aus, weil ein solcher den Bedürfnissen von L. entspreche und eine Herausnahme mit einem zu großen Risiko für das Kind verbunden sei. Auch der nichteheliche Vater von L. befürwortete den Verbleib des Kindes bei den Antragstellern. Daraufhin erklärte die Antragsgegnerin, dass sie mit dem Aufenthalt von L. bei den Antragstellern bis auf weiteres einverstanden sei. Sämtliche Beteiligten nahmen sodann ihre Anträge zurück.
Das FamG hat mit Beschl. v. 3.11.2004 angeordnet, dass die Antragsteller, sowie die Antragsgegnerin die Gerichtskosten des Verfahrens je zur Hälfte tragen und dass außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden. Der Gegenstandswert des Verfahrens wurde auf 2.000 EUR festgesetzt. Der Antragsgegnerin wurde Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungspflicht bewilligt.
Die von der Prozessvertreterin der Antragsteller eingelegte Beschwerde richtet sich sowohl gegen deren Verpflichtung, Verfahrenskosten zu übernehmen, als auch gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes, welche dem Umfang und der Bedeutung der Angelegenheit nicht gerecht werde.
II. Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Auferlegung der Hälfte der Gerichtskosten ist gem. § 20a Abs. 2 FGG zulässig. Sie ist auch begründet, weil die Voraussetzungen von § 94 Abs. 3 S. 2, 2. Halbs. KostO für das Absehen von der Erhebung von Kosten vorliegen.
1. Zu Recht hat das FamG eine Entscheidung über die Gerichtskosten getroffen, obgl...