Leitsatz (amtlich)
1. Wird im Anwaltsprozess gem. § 121 Abs. 1 ZPO der Partei ein zu ihrer Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, so hat auch die PKH-Partei einen Anspruch darauf, einen an ihrem Wohnort ansässigen Rechtsanwalt beigeordnet zu bekommen.
2. Erfolgt die Beiordnung ohne Beschränkung, sind die Terminsreisekosten grundsätzlich zu erstatten.
3. Gleichwohl bedeutet die uneingeschränkte Beiordnung keine generelle Feststellung der Erforderlichkeit von Reisekosten des beigeordneten Rechtsanwalts. Deren Notwendigkeit ist vielmehr gem. § 46 Abs. 1 RVG im Vergütungsfestsetzungsverfahren des § 55 RVG zu überprüfen und kann bei der gebotenen ex ante-Betrachtung dazu führen, dass nur die Kosten eines fiktiven Unterbevollmächtigten zu erstatten sind, sofern von vornherein absehbar war, dass diese niedriger sind als die Reisekosten des beigeordneten Rechtsanwalts.
Normenkette
ZPO § 121; RVG § 46 Abs. 1, § 48 Abs. 1, § 55
Verfahrensgang
AG Nürtingen (Beschluss vom 05.12.2007; Aktenzeichen 14 F 785/06 verb. mit 14 F 797/06) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss der Familienrichterin des AG Nürtingen - FamG - vom 5.12.2007 - 14 F 785/06, abgeändert:
Auf die Erinnerung des Beschwerdeführers wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des AG Nürtingen vom 25.7.2007 - 14 F 785/06, dahin abgeändert, dass zusätzlich zu den festgesetzten 1.443,87 EUR weitere 486,67 EUR, damit insgesamt 1.930,54 EUR als Vergütung gegen die Staatskasse festgesetzt werden.
II. Die Verfahren über die Erinnerung und die Beschwerde sind gebührenfrei. Kosten werden in beiden Verfahren nicht erstattet.
Gründe
1. Im Hauptsacheverfahren wegen des Aufenthaltsbestimmungsrechts bezüglich der gemeinsamen Tochter der Parteien und einstweiliger Anordnung wurde dem Antragsgegner durch Beschluss vom 25.9.2006 Prozesskostenhilfe ohne Zahlungspflichten und unter Beiordnung des Beschwerdeführers, der seinen Kanzleisitz am Wohnort des Antragsgegners in ... hat, ohne Beschränkungen bewilligt. Es fanden zwei Verhandlungstermine vor dem FamG Nürtingen am 25.9.2006 und am 3.4.2007 statt, die vom Antragsgegner zusammen mit dem Beschwerdeführer wahrgenommen wurden. Über die einstweilige Anordnung wurde am 25.9.2006 entschieden und über das Aufenthaltsbestimmungsrecht mit Beschluss vom 4.4.2007, durch den die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben wurden. Im Termin vom 3.4.2007 wurde zugleich eine Umgangsregelung die zwischen den Parteien vereinbart.
Auf die Anträge des Beschwerdeführers vom 10.10.2006 bezüglich des einstweiligen Anordnungsverfahrens (630,46 EUR) und vom 2.7.2007 bezüglich des Hauptsacheverfahrens (1.300,08 EUR) wurden mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 25.7.2007 lediglich 1.443,87 EUR in Ansatz gebracht. Statt der geltend gemachten Reisekosten und Tagegelder für die Wahrnehmung der beiden Gerichtstermine durch den Beschwerdeführer i.H.v. insgesamt 822 EUR (2 x 411 EUR) zzgl. Mehrwertsteuer wurden die Kosten eines fiktiven Unterbevollmächtigten nebst eines 10%igen Zuschlages (435,62 EUR + 43,56 EUR) berücksichtigt.
Die gegen den Festsetzungsbeschluss gerichtete Erinnerung des Beschwerdeführers hat die Familienrichterin durch Beschluss vom 5.12.2007 zurückgewiesen mit der Begründung, dass der Beiordnungsbeschluss einen Anspruch auf Terminsreisekosten gegen die Staatskasse ausschließe, auch wenn er keine ausdrückliche Beschränkung enthalte.
Gegen die ihm am 10.12.2007 zugestellte Entscheidung hat der Beschwerdeführer am 12./17.12.2007 Beschwerde eingelegt mit dem Ziel der Festsetzung seiner weiteren Auslagen (Fahrtkosten) von 486,67 EUR.
Die Richterin hat nicht abgeholfen und die Akten dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
2. Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 1 und 3 RVG zulässig und in der Sache auch begründet.
Dem auf Grund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beigeordneten Beschwerdeführer steht ein Anspruch auf Festsetzung der Reisekosten und Tagegelder für die beiden von ihm wahrgenommenen Gerichtstermine in der beantragten Höhe zu.
a) Gemäß § 121 Abs. 1 ZPO wird im Anwaltsprozess (§ 78 ZPO) der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet. Dabei hat auch die PKH-Partei einen Anspruch darauf, einen an ihrem Wohnort ansässigen Rechtsanwalt beigeordnet zu bekommen (Fischer in Musielak, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 121 Rz. 18 m.w.N.; OLG Hamm NJOZ 2005, 767).
Der Beiordnungsbeschluss vom 25.9.2006 enthält in Bezug auf die fehlende Ansässigkeit des Beschwerdeführers am Gerichtsort keine Beschränkung. Der Vergütungsanspruch bestimmt sich aber gem. § 48 Abs. 1 RVG nach dem Umfang der Beiordnung im Beiordnungsbeschluss, der bindend für das nachfolgende Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 55 RVG ist und nicht umgedeutet werden kann (von Eicken/Müller/Rabe in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller/Rabe, RVG, 17. Aufl. 2006, § 46 RVG Rz. 30d m.w.N.; KG JurBüro 2005, 264). Sofern der Beiordnungsbeschluss keine entsprechende ...