Leitsatz (amtlich)
1. Über einen Wiedereinsetzungsantrag wegen der Versäumung der Beschwerdefrist entscheidet das Beschwerdegericht, sofern mit dem Antrag die Rechtsmitteleinlegung erfolgt und die Erstinstanz nicht im Rahmen ihrer Abhilfebefugnis den Wiedereinsetzungsantrag und die Beschwerde für zulässig und begründet erachtet und deshalb zumindest teilweise abhilft.
2. Wird im Rahmen der mündlichen Verhandlung über nicht rechtshängige Ansprüche nach vorheriger Erörterung eine Einigung erzielt und protokolliert, so entsteht neben der 1,5-Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 RVG-VV, auch eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Ziff. 2 RVG-VV und eine 1,2-Terminsgbühr nach Nr. 3104 (Abs. 2) RVG-VV.
3. Die Terminsgebühr ist ebenso wie die anderen Gebühren für den PKH-Anwalt im Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 55 RVG gegen die Staatskasse festzusetzen, wenn der Prozesskostenhilfebewilligungs- und der Beiordnungsbeschluss auf die Vereinbarung erstreckt werden.
Normenkette
ZPO §§ 223 ff.; RVG §§ 45, 48, 55; RVG-VV Nrn. 1000, 3101, 3104
Verfahrensgang
AG Ulm (Beschluss vom 22.10.2007; Aktenzeichen 1 F 972/06) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Familienrichters des AG Ulm - FamG - vom 22.10.2007 - 1 F 972/06, abgeändert:
Auf die Erinnerung des Beschwerdeführers wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des AG Ulm vom 28.8.2007 - 1 F 972/06, dahin abgeändert, dass zusätzlich zu den festgesetzten 1.145,02 EUR weitere 17,13 EUR, damit insgesamt 1.162,15 EUR als Vergütung gegen die Staatskasse festgesetzt werden.
II. Die Verfahren über die Erinnerung und die Beschwerde sind gebührenfrei. Kosten werden in beiden Verfahren nicht erstattet.
Gründe
1. Der Antragstellerin war durch Beschluss des FamG Ulm vom 19.9.2006 Prozesskostenhilfe bewilligt worden für die Verfahrensgegenstände "Ehescheidung und Versorgungsausgleich" ohne Zahlungspflichten und unter Beiordnung des Beschwerdeführers.
Im Verhandlungstermin vom 12.7.2007 erklärten die Parteien, dass sie sich über den Unterhalt einigen wollen. Hierauf wurde durch Beschluss des selben Tages die Prozesskostenhilfebewilligung unter Beiordnung des Beschwerdeführers auf "die Vereinbarung über den nachehelichen Unterhalt" erstreckt. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage schlossen die Parteien einen Vergleich über den nachehelichen Unterhalt. Die Streitwerte wurden für die Scheidung auf 5.808 EUR, den Versorgungsausgleich auf 2.000 EUR und die Vereinbarung über den nachehelichen Unterhalt auf 3.600 EUR festgesetzt. Das Scheidungsverfahren wurde beendet durch Urteil vom 12.7.2007, in dem die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben wurden.
Auf den Antrag des Beschwerdeführers vom 13.7.2007 wurden mit dem angefochtenen Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 28.8.2007 1.145,02 EUR statt der verlangten 1.162,15 EUR in Ansatz gebracht. Die Kürzung wurde damit begründet, dass sich die Beiordnung auf den abgeschlossenen Vergleich erstreckt habe, der Rechtsanwalt in diesem Fall aber neben der 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 RVG-VV nur die 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Ziff. 2 RVG-VV aus der Staatskasse erhalte, nicht jedoch eine Terminsgebühr.
Die hiergegen gerichtete Erinnerung hat der Familienrichter am 22.10.2007 zurückgewiesen mit im Wesentlichen gleich lautender Begründung wie im Festsetzungs- und Nichtabhilfebeschluss des Urkundsbeamten. Gleichzeitig wurde die "Rechtsbeschwerde" zugelassen und mit Beschluss vom 12.11.2007 klargestellt, dass die Beschwerde gem. § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen werden sollte.
Die vom Beschwerdeführer eingelegte Beschwerde ging verspätet ein und wurde deshalb durch Beschluss des Senats vom 29.11.2007 - 8 WF 160/07, als unzulässig verworfen.
Hierauf erhob der Beschwerdeführer am 10.12.2007 erneut Beschwerde verbunden mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdefrist.
Der Familienrichter gewährte mit Beschluss vom 7.1.2008 die beantragte Wiedereinsetzung und legte im Übrigen die Akten dem OLG ohne Abhilfe zur Entscheidung vor.
2.A. Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG aufgrund der Zulassung durch das AG statthaft, obwohl eine Beschwer von über 200 EUR nicht vorliegt. Der Senat ist als Beschwerdegericht an die Zulassung gebunden (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 4 RVG).
Das Rechtsmittel ist auch sonst zulässig; insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden, nachdem der Familienrichter für die erneute Rechtsmitteleinlegung dem Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdefrist gewährt hat.
Ob diese Entscheidung des AG das Rechtsmittelgericht bindet (Greger in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 238 Rz. 6; Grandel in Musielak, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 238 Rz. 5; Hüsstege in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl. 2007, § 238 Rz. 13; je m.w.N.), obwohl dieses zuvor die sofortige Beschwerde ...