Leitsatz (amtlich)
Zur Zustellung eines Vollstreckungsbescheids an einen sich in Haft befindenden Beklagten und zu den Voraussetzungen, unter denen einem solchen Beklagten Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist zu gewähren ist.
Normenkette
ZPO § 178 Abs. 1 Ziff. 3, §§ 233-234, 236
Verfahrensgang
LG Ulm (Aktenzeichen 2 O 35/12) |
Tenor
Der Antrag des Beklagten, ihm Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Berufungsverfahrens zu gewähren, wird zurückgewiesen.
Gründe
Der derzeit inhaftierte Beklagte begehrt Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens gegen das Urteil des LG, mit dem es den Einspruch des Beklagten gegen einen gegen ihn ergangenen Vollstreckungsbescheid als unzulässig verworfen hat. Prozesskostenhilfe kann jedoch jedenfalls deshalb nicht gewährt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverteidigung des Beklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
I. Der Vollstreckungsbescheid des AG Stuttgart (Geschäftsnummer 11-9120094-001N) vom 6.9.2011 ist am 10.9.2011 einem zum Empfang berechtigten Vertreter des Leiters der Justizvollzugsanstalt, in der der Beklagte inhaftiert war und ist, übergeben worden. Der Beklagte hat mit am 19.1.2012 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom 5.1.2012 Einspruch eingelegt. Nachdem das LG, an das das Mahngericht die Sache abgegeben hatte, den Beklagten auf die Versäumung der Einspruchsfrist hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis 15.2.2012 gegeben hatte, hat das LG nach fruchtlosem Ablauf der Äußerungsfrist mit dem Beklagten am 22.2.2012 zugestelltem Urteil vom 20.2.2012, den Einspruch nach §§ 700 Abs. 1, 341 ZPO verworfen, weil die Einspruchsfrist nicht eingehalten worden sei.
Mit am 21.2.2012 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom 13.2.2012 hat der Beklagte mitgeteilt, er könne ihm gesetzte Fristen wegen der in seinem Fall stattfindenden Briefkontrolle der Strafverfolgungsbehörden nicht einhalten; die Einhaltung u.a. der Frist zur Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen den Vollstreckungsbescheid sei ihm von vornherein nicht möglich gewesen, er sei damals noch in dem Glauben gewesen, ein verspäteter Einspruch werde, auch wenn die Frist auch nur um einen Tag versäumt sei, nicht mehr beachtet, erst im Januar 2012 sei er eines Besseren belehrt worden.
Mit am 2.3.2012 beim LG eingegangenem Schreiben vom 22.2.2012 hat der Beklagte "Einspruch" gegen das Urteil des LG erhoben, Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist beantragt und in diesem Zusammenhang erneut auf die in seinem Fall stattfindende Briefkontrolle der Strafverfolgungsbehörden hingewiesen. Zudem hat er seinen bisherigen Vortrag dahin ergänzt, die Aufklärung seines bis dahin bestehenden Irrtums, ein verspäteter Einspruch werde, auch wenn die Frist auch nur um einen Tag versäumt sei, nicht mehr beachtet, sei im Januar 2012 durch einen anderen Häftling erfolgt. Die Einholung anwaltlichen Rast könne er sich aus finanziellen Gründen nicht leisten.
Nachdem der Beklagte mit am 5.3.2012 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom 22.2.2012 nochmals die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt und das LG darauf hingewiesen hatte, dass das ergangene Urteil nur mit der Berufung anfechtbar sei, wofür sich der Beklagte an die Rechtsantragstelle des zuständigen AG wenden könne, hat der Beklagte am 21.2.2012 vor dem AG zum OLG erklärt, er beantrage die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens gegen das Urteil des LG vom 20.2.2012. Dieser Antrag ist am 26.3.2012 beim OLG eingegangen.
II. Die beantragte Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren kann - unabhängig von der Einhaltung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung bzw. der Möglichkeit, insoweit Wiedereinsetzung aufgrund des gestellten Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 22.10.1986 - VIII ZB 40/84 - Tz. 10 [juris]; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 233 Rz. 23 "Prozesskostenhilfe") zu gewähren, die der Senat offen lässt - schon deshalb nicht gewährt werden, weil eine Berufung gegen das Urteil des LG in der Sache keine Aussicht auf Erfolg hätte, weshalb die beabsichtigte Rechtsverteidigung des Beklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. § 114 Satz 1 ZPO).
1. Das LG hat den auf den 5.1.2012 datierten, bei Gericht am 19.1.2012 eingegangenen Einspruch des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid des AG Stuttgart (Geschäftsnummer 11-9120094-001N) vom 6.9.2011 zu Recht als unzulässig verworfen (§§ 700 Abs. 1, 341 ZPO). Der Einspruch war zwar gem. §§ 700 Abs. 1, 338 ZPO an sich statthaft; er war auch in der gesetzlichen Form eingelegt, da der Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid stets anwaltsfrei erklärt werden kann (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 700 Rz. 6; Hüsstege in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 700 Rz. 5). Er ist jedoch nicht innerhalb der gesetzlichen Zweiwochenfrist nach §§ 700 Abs. 1, 339 Abs. 1 ZPO (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 700 Rz. 3; Hüsstege in Thomas/Putzo, a.a.O., § 700 Rz. 6) eingelegt worden.
a) Der Vollstreckungs...