Leitsatz (amtlich)

Zur Erstattungsfähigkeit gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Erhöhungsgebühr nach § 7 Abs. 1 RVG i.V.m. Nr. 1008 RVG-VV in der Übergangszeit zwischen der Grundsatzentscheidung des 5. Zivilsenats des BGH vom 2.6.2005 (NJW 2005, 2061) zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft - beschränkt auf die Teilbereiche des Rechtslebens, bei denen die Wohnungseigentümer im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnehmen - und den Urteilen des 7. Zivilsenats des BGH vom 12.4.2007 (NJW 2007, 1952: Mängel des Gemeinschaftseigentums; NJW 2007, 1957: Bauträgerbürgschaft) zur Befugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft als rechts- und parteifähiger Verband, auch die Rechte der Erwerber wegen Mängeln an der Bausubstanz des Gemeinschaftseigentums geltend zu machen und gerichtlich durchzusetzen.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1 S. 1; RVG § 7 Abs. 1; RVG-VV Nr. 1008

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 28.04.2008; Aktenzeichen 23 O 236/07)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Stuttgart vom 28.4.2008 - 23 O 236/07, abgeändert:

Auf Grund des gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbaren Urteils des LG Stuttgart vom 22.1.2008 sind von der Beklagten an die Klägerin an Kosten zu erstatten:

weitere 2.856 EUR,

damit insgesamt 15.764,66 EUR,

nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 1.2.2008.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 2.856 EUR.

 

Gründe

1. Nach vorausgegangenem Beweisverfahren (LG Stuttgart, Az. 23 OH 4/06), das von den Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft am 27.2.2006 eingeleitet worden war, reichte die Klägerin nunmehr als rechtsfähiger Verband "..." am 23.11.2007 eine Vorschussklage bezüglich der Kosten für die Beseitigung von Putzschäden gegen die Beklagte beim LG Stuttgart ein. Mit Urteil vom 22.1.2008 wurde der Klage stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der des selbständigen Beweisverfahrens wurden der Beklagten auferlegt.

Dem am 1.2.2008 eingegangenen Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin entsprach die Rechtspflegerin mit Ausnahme der 2,0-Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG-VV von 2.400 EUR zzgl. 19 % Umsatzsteuer von 456 EUR, insgesamt 2.856 EUR.

Gegen den diesen Betrag nicht enthaltenden, am 19.5.2008 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.4.2008 hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 29.5.2008 sofortige Beschwerde eingelegt und auf die Rechtsprechung des BGH seit der Entscheidung v. 2.6.2005 - V ZB 32/05 (NJW 2005, 2061) zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft hingewiesen.

Die Beklagte hat zu dem Rechtsmittel keine Stellungnahme abgegeben und die Rechtspflegerin hat die Akte ohne Abhilfe dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

2. Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 11 Abs. 1 RpflG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff. ZPO statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere fristgerecht.

Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die Erhöhungsgebühr von 2,0 nach § 7 Abs. 1 RVG i.V.m. Nr. 1008 RVG-VV ist gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung erstattungsfähig.

Gemäß Beschluss des BGH vom 2.6.2005 (NJW 2005, 2061) ist die Wohnungseigentümergemeinschaft teilrechtsfähig, so dass sie im Verfahren hinsichtlich der das Verwaltungsvermögen betreffenden Forderungen und Verbindlichkeiten als solche klagen und verklagt werden kann. Auf Grund dieser neuen Rechtsprechung des BGH ist es in solchen Fällen nicht mehr notwendig i.S.d. § 91 ZPO, dass sämtliche Miteigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen in einem Prozess beauftragen, sondern es genügt, wenn die Eigentümergemeinschaft selbst einen Rechtsanwalt mandatiert. Eine Erhöhung nach Nr. 1008 RVG-VV fällt dann grundsätzlich nicht mehr an.

Die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch sämtliche Miteigentümer entstandenen Kosten können allerdings in vollem Umfang als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anzusehen sein, wenn diese neue Rechtsprechung des BGH den Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft zum Zeitpunkt der Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten noch nicht bekannt sein konnte bzw. musste (vgl. BGH ZMR 2006, 184; JurBüro 2004, 145; NJW 2002, 2958; jeweils zur vergleichbaren Problematik der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der GbR).

Bis dahin sah die überwiegende Auffassung die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht als rechtsfähig an (vgl. die Nachweise in BGH NJW 2005, 2061), so dass die einzelnen Mitglieder der Gemeinschaft Klage erheben mussten. Im Rahmen ihrer Pflicht, auch im Interesse der Gegenpartei ein möglichst kostensparendes Vorgehen zu wählen, waren sie nicht gehalten, mit der Durchführung der Verfahren einen Wohnungseigentümer oder den Verwalter in gewillkürter Prozessstandschaft zu beauftragen (OLG Z...

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