Leitsatz (amtlich)

Haben die Parteien in einem Prozessvergleich festgelegt, über die Kosten des Rechtsstreits sei vom Gericht nach § 91a ZPO zu entscheiden, so ist diese Entscheidung grundsätzlich nach den für § 91a ZPO geltenden allgemeinen Regeln zu treffen. Unter besonderen Umständen können abweichend davon zwar die in dem Vergleich zum Ausdruck gekommenen Vorstellungen der Parteien über die Kostenverteilung im Rahmen des dem Gericht nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO eröffneten billigen Ermessens Berücksichtigung finden; insoweit ist jedoch Zurückhaltung geboten.

 

Normenkette

ZPO § 91a

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 16.05.2011; Aktenzeichen 16 O 57/11)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Einzelrichters der 16. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 16.5.2011 - 16 O 57/11 - über die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits (Bl. 43 d.A.) abgeändert.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Der Beschwerdewert beträgt bis 1.200 EUR.

 

Gründe

A. Der Kläger hat die Beklagte auf Rückabwicklung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags über einen Pkw VW Golf in Anspruch genommen. Den von ihm erklärten Rücktritt hat der Kläger auf angebliche, von der Beklagten in Abrede gestellte Mängel des Fahrzeugs gestützt, nämlich auf Durchrostungen des Auspuffs, einen Kupplungsdefekt sowie auf den unterlassenen Austausch eines Zahnriemens.

Im frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LG am 16.5.2011 verständigten sich die Parteien auf eine vergleichsweise Regelung (Bl. 42 d.A.). Die Beklagte verpflichtete sich zu Austausch bzw. Instandsetzung von Kupplung, Zahnriemen und Auspuff und dazu, dem Kläger hierfür höchstens 650 EUR in Rechnung zu stellen, womit die streitgegenständlichen Ansprüche des Klägers erledigt sein sollten. In der abschließenden Ziff. 3 des Prozessvergleichs heißt es:

"Die Kostenentscheidung ergeht durch einen gesonderten § 91a-Beschluss".

Das LG hat mit dem angefochtenen Beschluss, den es noch im Termin erlassen und verkündet hat (Bl. 43 d.A.), dem Kläger 81 %, der Beklagten 19 % der Kosten des Rechtsstreits aufgebürdet. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kosten seien nach der vergleichsweisen Erledigung des Rechtsstreits gem. § 91a ZPO nach billigem Ermessen zu verteilen. Im Vergleich habe die Beklagte von den klägerseits behaupteten Reparaturkosten 1.350 EUR übernommen und im Übrigen obsiegt. Aus dem Verhältnis des von der Beklagten im Prozessvergleich übernommenen Betrags zum Gesamtstreitwert ergebe sich die ausgesprochene Kostenquote.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 30.5.2011 (Bl. 47 f. d.A.) beim LG eingegangenen Beschwerde, mit der er begehrt, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben. Die nach § 91a ZPO zu treffende Kostenentscheidung sei nicht am Inhalt des Prozessvergleichs zu orientieren, maßgebend sei vielmehr der davon unabhängige Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der vergleichsweisen Erledigung.

B.I. Die sofortige Beschwerde ist nach § 91a Abs. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt.

II. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die Parteien haben in Ziff. 3 des Prozessvergleichs vom 16.5.2011 ausdrücklich auf eine positive Vereinbarung über die Verteilung der Prozesskosten im Vergleichswege verzichtet und festgelegt, diese ergehe durch einen gesonderten Beschluss nach § 91a ZPO. Das veranlasste eine richterliche Kostenentscheidung nach dieser Vorschrift (vgl. nur BGH NJW 2007, 835; Giebel in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 98 Rz. 13; Hüsstege in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 98 Rz. 4).

2. Maßgebend für diese Kostenentscheidung sind hier die allgemeinen Regeln des § 91a ZPO, nicht die im Vergleichswege von den Parteien positiv getroffenen Regelungen.

a) Nach § 91a ZPO ist im Allgemeinen für die Kostenverteilung durch das Gericht entscheidend, welcher Verfahrensausgang ohne die Erledigung zu erwarten gewesen wäre (vgl. nur Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 91a Rz. 24). Das gilt grundsätzlich auch, wenn die Parteien, wie hier, in einem Vergleich eine negative Kostenvereinbarung treffen, die eine richterliche Kostenentscheidung nach § 91a ZPO veranlasst (vgl. etwa BGH NJW 2007, 835; Giebel in MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 98 Rz. 13; Hüsstege in Thomas/Putzo, a.a.O., § 98 Rz. 4). Allerdings können die in dem Vergleich zum Ausdruck gekommenen Vorstellungen der Parteien über die Kostenverteilung unter Umständen im Rahmen des dem Gericht nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO eröffneten billigen Ermessens Berücksichtigung finden (vgl. BGH NJW 2007, 835, 837; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 91a Rz. 58 "Vergleich"; Hüsstege in Thomas/Putzo, a.a.O., § 98 Rz. 4). Insoweit ist jedoch Zurückhaltung geboten (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 91a Rz. 58 "Vergleich"; vgl. z.B. auch OLG Oldenburg, NJW-RR 1992, 1466; OLG Stuttgart, NJW-RR 1999, 147 f.; Giebel in MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 98 Rz. 13; für eine weitergehende Ber...

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