Leitsatz (amtlich)

1. Zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a Abs. 1 ZPO unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 93 ZPO.

2. Ein sofortiges Anerkenntnis i.S.v. § 93 ZPO ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die beklagte Partei, die im Wege einer unstatthaften Urkundenklage in Anspruch genommen wird, den Klaganspruch erst anerkennt, nachdem die klagende Partei die Abstandnahme vom Urkundenprozess (§ 596 ZPO) erklärt hat.

 

Normenkette

ZPO § 91a Abs. 1 S. 1, § 93

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 09.05.2011; Aktenzeichen 10 O 256/10)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 9.5.2011 - 10 O 256/10 - abgeändert.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

3. Der Beschwerdewert beträgt bis 6.000 EUR.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits, nachdem sie diesen übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Die Klägerin hat die Beklagte im Urkundenprozess auf Stellung einer Bürgschaft durch eine deutsche Großbank i.H.v. 70.000 EUR zur Sicherung näher bezeichneter Forderungen der Klägerin gegen die Beklagte Zug um Zug gegen Rückgabe einer bereits erteilten Bürgschaft in Anspruch genommen. Die Klage war gestützt auf eine zwischen den Parteien unstreitig geschlossene Vereinbarung (Anl. K 3, Bl. 10 ff. d.A.), die nach Auffassung der Klägerin bereits am 10.08./3.9.2010, nach Ansicht der Beklagten hingegen erst am 21./22.12.2010 zustande gekommen ist.

Die Klage im Urkundenprozess (Bl. 1 ff. d.A.) ist am 16.12.2010 beim LG eingegangen und der Beklagten am 8.1.2011 zugestellt worden (Bl. 21 d.A.). Diese hat mit am 12.1.2011 eingegangenem Schriftsatz vom 11.1.2011 (Bl. 22 d.A.) Klageabweisungsantrag angekündigt und mit der am 7.2.2011 bei Gericht eingegangenen Klageerwiderung von diesem Tag (Bl. 25 ff. d.A.) beantragt, die Klage als im Urkundenprozess unstatthaft abzuweisen, sowie angekündigt, den geltend gemachten Anspruch "in einem etwaigen Nachverfahren" anzuerkennen. Daraufhin hat die Klägerin mit am 10.2.2011 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 9.2.2011 (Bl. 79 ff.) vom Urkundenprozess Abstand genommen und mit am 25.2.2011 eingegangenem Schriftsatz vom 22.2.2011 (Bl. 83 ff.) den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem ihr die Beklagte am 16.2.2011 die begehrte Bürgschaft in Kopie zukommen hatte lassen (Anl. K 13, Bl. 85 d.A.) und am 17.2.2011 ein Austausch der Bürgschaften stattgefunden hatte (Anl. K 14, Bl. 87 d.A.). Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung der Klägerin mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz vom 8.3.2011 (Bl. 89 ff. d.A.) angeschlossen.

Das LG hat der Beklagten in dem angefochtenen, ihr am 13.5.2011 (Bl. 122 d.A.) zugestellten Beschluss nach § 91a ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, weil die Klage jedenfalls im Zeitpunkt der Abgabe der Erledigungserklärung der Beklagten am 9.3.2011 begründet gewesen sei, wobei dahinstehen könne, wann genau die den Klaganspruch tragende Vereinbarung geschlossen worden sei. Die Anwendung des in § 93 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens zugunsten der Beklagten hat das LG abgelehnt. Ein sofortiges Anerkenntnis liege nicht vor, weil sich die Beklagte gegen ihre - unstatthafte - Inanspruchnahme im Wege des Urkundenprozesses verteidigt habe. Das schade der Beklagten insbesondere deshalb, weil die Möglichkeit bestanden habe, im Wege des Anerkenntnisurteils auch ohne vorherige Abstandnahme vom Urkundenprozess zu erkennen, hätte die Beklagte den Klaganspruch rechtzeitig anerkannt. Dass sie den Klaganspruch erst nach Abstandnahme der Klägerin vom Urkundenprozess erfüllt habe, rechtfertige die Annahme, die Beklagte habe auch schon vor Einreichung der Klage zu deren Erhebung Veranlassung gegeben.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer am 27.5.2011 beim LG eingegangenen sofortigen Beschwerde (Bl. 125 ff. d.A.) B.

I. Die sofortige Beschwerde ist nach § 91a Abs. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt.

II. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Maßgebend hierfür ist der hier zugunsten der Beklagten anzuwendende Rechtsgedanke des § 93 ZPO (vgl. BGH NJW-RR 2006, 773, 774; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 91a Rz. 24).

1. Ein einem sofortigen Anerkenntnis gleich zu stellendes Verhalten der Beklagten liegt vor.

a) Im Rahmen von § 93 ZPO ist anerkannt, dass ein Anerkenntnis regelmäßig auch dann noch "sofort" erfolgt, wenn es unverzüglich nach dem Zeitpunkt erklärt wird, in dem das Klagevorbringen erstmals den gestellten Antrag rechtfertigt (s. etwa Giebel in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 93 Rz. 11). Das gilt etwa bei einer erst im Laufe des Rechtsstreits erfolgten Klärung der gerichtlichen Zuständigkeit (s. OLG Bremen NJW 2005, 228, 229) oder sonstiger Zulässigkeitsvoraussetzu...

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