Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Rechtsanwalts am Drittort
Leitsatz (amtlich)
Führt eine Partei einen Rechtsstreit an ihrem eigenen Gerichtsstand, sind die ihr durch Beauftragung eines auswärtigen Anwalts entstehenden Mehrkosten grundsätzlich auch dann nicht erstattungsfähig, wenn die Partei ihre Rechtsangelegenheiten ausschließlich durch eine im Ausland angesiedelte Rechtsabteilung besorgen lässt.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2, § 104
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 01.07.2021; Aktenzeichen 44 O 70/20 KfH) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 01.07.2021, Az. 44 O 70/20 KfH, wird zurückgewiesen.
2. Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten.
Am 07.08.2020 hat das Landgericht antragsgemäß eine einstweilige Verfügung gegen die Verfügungsbeklagte, deren ausschließlicher Sitz sich in Stuttgart befindet, erlassen. Aufgrund eines Widerspruchs fand am 11.01.2021 eine mündliche Verhandlung statt, in der sich die Verfügungsbeklagte durch ihren in Berlin ansässigen Prozessbevollmächtigten vertreten ließ. Nachdem das Landgericht durch Urteil vom 08.02.2021 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgewiesen und der Verfügungsklägerin die Verfahrenskosten auferlegt hat, hat die Verfügungsbeklagte unter dem 16.02.2021 die Festsetzung der ihr entstandenen Kosten beantragt und darin u.a. Reisekosten ihres Prozessbevollmächtigten in Höhe von 927,93 EUR sowie eine Tage- und Abwesenheitspauschale nach Nr. 7004 VV RVG in Höhe von 70,00 EUR geltend gemacht.
Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung vom 01.07.2021 insoweit lediglich fiktive Reisekosten für die Entfernung vom Gericht bis zur Gerichtsbezirksgrenze (69 km) in Höhe von 41,40 EUR sowie ein Abwesenheitsgeld von 25,00 EUR anerkannt, gestützt auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines auswärtigen Anwalts einer inländischen Partei. Auf die ausführliche Begründung des angefochtenen Beschlusses wird Bezug genommen.
Gegen diese ihr am 04.08.2021 zugestellte Entscheidung wendet sich die Verfügungsklägerin mit ihrer vorab per Fax am 18.08.2021 eingegangenen Beschwerde. Sie vertritt - wie bereits erstinstanzlich - die Ansicht, sie sei "situationsbedingt als ausländische Partei zu behandeln", weil sie zur Zeit der Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten an ihrem Sitz in Stuttgart lediglich eine Postannahmeeinrichtung, nicht aber einen regulären Bürobetrieb unterhalten habe und ihre Rechtsangelegenheiten von einer bei ihrer Muttergesellschaft in Tschechien angesiedelten Rechtsabteilung bearbeiten lasse. Insofern gelte, dass, wenn der Prozessbevollmächtigte weder am Gerichtssitz noch in der Nähe der Partei ansässig ist, die Mehrkosten nach herrschender Meinung bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Geschäftssitz der Partei ansässigen Rechtsanwalts erstattungsfähig sind.
Sie beantragt daher,
den angefochtenen Beschluss abzuändern und die Kosten antragsgemäß zur Erstattung festzusetzen.
Die Verfügungsklägerin ist der Beschwerde entgegengetreten, sie hält die Entscheidung des Landgerichts für zutreffend und erhebt darüber hinaus - wie bereits in erster Instanz - Einwendungen auch gegen die Höhe der geltend gemachten Reisekosten, die auch Kosten für die Umbuchung von der Economy- in die Business-Klasse in Höhe von 23,80 EUR enthalten.
Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen - Beschluss vom 01.10.2021 - und sie daher dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die gemäß §§ 11 Abs. 2 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 ff ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten ist unbegründet.
Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht zu beanstanden. Denn die über den festgesetzten Betrag hinausgehend geltend gemachten Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten waren nicht notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO:
1. Die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung grundsätzlich nicht notwendig im Sinne des § 91 ZPO, wenn das gerichtliche Verfahren am Gerichtsstand der Partei, die einen auswärtigen Anwalt beauftragt, geführt wird, z.B. Beschlüsse vom 20.12.2011 - XI ZB 13/11, vom 12.12.2002 - I ZB 29/02, vom 22.02.2007 - VII ZB 93/06, vom 22.04.2008 - IX ZB 20/07. In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof zunächst ausdrücklich hervorgehoben, dass eine typisierende Betrachtungsweise geboten und eine übermäßig differenzierende Betrachtungsweise zu vermeiden ist, um dann auf der Grundlage auszuführen, dass in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass eine vernünftige, kostenbew...