Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung eines Beschlusses der Wohnungseigentümer
Leitsatz (amtlich)
Ein zu der Teilungserklärung in Widerspruch stehender Beschluß der Wohnungseigentümer über die Erhebung einer Umzugspauschale kann nicht mit Stimmenmehrheit, sondern nur einstimmig getroffen werden.
Normenkette
WEG §§ 16, 21
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 14.04.1980; Aktenzeichen 23 T 115/79) |
AG Stuttgart-Bad Cannstatt (Aktenzeichen GR 240/79) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landgerichts Stuttgart vom 14.4.1980 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegner haben die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Beschwerdewert: 1.500,– DM.
Gründe
Die Antragstellerin (ASt.) ist Eigentümerin von 80 Wohnungen der eingangs genannten Wohnanlage, die Antragsgegner (AGg.) sind die weiteren Wohnungseigentümer.
Die Teilungserklärung vom 25.2.1971 bestimmt unter Ziff. III 1 e, daß die Wohnungseigentümer im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zur Ansammlung einer Instandhaltungsrücklage für das gemeinschaftliche Eigentum verpflichtet sind. Unter Ziff. III 1 a ist bestimmt, daß jeder Wohnungseigentümer zur Tragung aller Kosten für die Beseitigung von Schäden verpflichtet ist, die durch sein schuldhaftes Verhalten oder das Verschulden der Familienmitglieder, Hausgehilfen, Mieter, Handwerker usw. auch außerhalb seines eigenen Sondereigentums an dem Grundstück entstehen. Unter Ziff. III 2 a ist die Überlassung von Wohnraum an Dritte geregelt, unter Ziff. III 3 die Verteilung der Betriebskosten für die Zentralheizungsanlage.
Durch Mehrheits-Beschluß der Wohnungseigentümerversammlung vom 22.11.1975 wurde eine Regelung eingeführt, wonach im Fall des Auszugs aus einer Wohnung vom jeweiligen Eigentümer der betreffenden Wohnung ein Betrag von 50,– DM an die Wohnungseigentümergemeinschaft zu Händen der Verwaltung zu entrichten ist. Dieser Betrag ist von der Verwaltung der Instandhaltungsrücklage zuzuführen und in der darauffolgenden Jahresabrechnung gesondert zu bezeichnen. Weitere Ansprüche der Gemeinschaft an den Eigentümer oder Nutzungsberechtigten einer Wohnung werden durch diese Regelung nicht berührt. Der vorgenannte Betrag kann hiervon nicht abgesetzt werden.
Dieser Beschluß wurde nicht angefochten.
In der Wohnungseigentümerversammlung vom 30.6.1979 beschlossen die Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit, den in der Wohnungseigentümerversammlung vom 22.11.1975 beschlossenen Betrag von 50,– DM, der im Fall des Auszugs aus einer Wohnung vom jeweiligen Eigentümer zu entrichten ist, mit Wirkung vom 1.7.1979 auf 100,– DM zu erhöhen.
Die Parteien streiten um die Gültigkeit dieses Beschlusses.
Mit Schriftsatz vom 26.7.1979 – eingegangen am 27.7.1979 – an das Amtsgericht beantragte die ASt., diesen Beschluß und einen weiteren Beschluß, über den die Parteien nicht mehr streiten, für ungültig zu erklären. Mit Beschluß vom 17.10.1979 hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen.
Auf die sofortige Beschwerde der ASt. hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluß abgeändert und den Beschluß der Wohnungseigentümerversammlung vom 30.6.1979 für ungültig erklärt.
Die von den AGg. gegen diesen Beschluß form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist gem. §§ 45 Abs. 1 WEG, 27, 29, 22 Abs. 1 FGG zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 FGG i. V. mit §§ 550, 551 ZPO).
Das Landgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Der Beschluß über die Erhöhung der bei Auszug des Eigentümers oder Mieters zu zahlenden Pauschale von 50,– DM auf 100,– DM sei schon deshalb nach §§ 43 Abs. 1 Nr. 4, 23 Abs. 4 WEG für ungültig zu erklären, da er nicht mit der Mehrheit der Stimmen habe gefaßt werden können. Bei Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falles stelle die Erhöhung der Pauschale eine Änderung der in der Teilungserklärung festgelegten Kostenverteilung dar, die nur vertraglich, bzw. durch einstimmigen Beschluß habe erfolgen können. Es handele sich nicht um eine Regelung des Gebrauchs oder der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nach §§ 15 Abs. 2 und 21 Abs. 3 WEG, die durch Mehrheits-Beschluß möglich sei. Denn die Erhöhung der Pauschale beinhalte im konkreten Fall nichts anderes als eine Verpflichtung zur Sonderzahlung zur Instandhaltungsrücklage. Da die Teilungserklärung die Heranziehung der Wohnungseigentümer zur Instandhaltungsrücklage ausdrücklich regele, habe die Erhöhung der Pauschale nicht mit der Mehrheit der Stimmen beschlossen werden können. Eine Kompetenz zur Erhöhung der Pauschale durch Mehrheits-Beschluß folge auch nicht aus dem mangels Ungültigerklärung wirksamen Beschluß vom 22.11.1975; da dieser Beschluß keinen Vorbehalt zur Erhöhung oder Anpassung enthalte, sei die Rechtmäßigkeit der Erhöhung gesondert zu beurteilen. Schließlich handele es sich auch nicht um eine möglicherweise zuläs...