Leitsatz (amtlich)
Die Zurechnung eines Unfallerfolges an den mittelbaren Verursacher kann ausgeschlossen sein, wenn der unmittelbare Verursacher eigenverantwortlich handelt. Das Verantwortungsprinzip beschränkt die Zurechnung nicht nur im Fall der Selbstgefährdung des unmittelbaren Verursachers, sondern auch im Fall der Drittgefährdung.
Normenkette
StGB § 222
Verfahrensgang
LG Ulm (Entscheidung vom 30.09.2010; Aktenzeichen 2 Ns 38 Js 13244/09) |
AG Ulm (Entscheidung vom 23.02.2010; Aktenzeichen 1 Ls 38 Js 13244/09) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten P. werden das Urteil des Landgerichts - 2. Kleine Strafkammer - Ulm vom 30. September 2010 und das Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Ulm vom 23. Februar 2010, soweit diese den Angeklagten P. betreffen,
a u f g e h o b e n.
2. Der Angeklagte P. wird
f r e i g e s p r o c h e n.
3. Die gegen den Angeklagten P. mit Beschluss des Amtsgerichts - Schöffengericht - Ulm vom 23. Februar 2010 angeordnete vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist damit
g e g e n s t a n d s l o s.
4. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten P.. fallen der Staatskasse zur Last.
5. Diese ist auch verpflichtet, den Angeklagten P. für die vom 23. Februar 2010 bis 19. April 2011 vollzogene vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis zu entschädigen.
Gründe
I. Das Amtsgericht - Schöffengericht - Ulm hat den Angeklagten P. am 23. Februar 2010 wegen fahrlässiger Tötung zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, seinen Führerschein eingezogen, ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperre von noch vier Monaten für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis angeordnet. Gleichzeitig ist ihm durch Beschluss vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen worden.
Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht - 2. Kleine Strafkammer - Ulm am 30. September 2010 die Freiheitsstrafe auf neun Monate ermäßigt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die weitergehende Berufung des Angeklagten hat die Kammer als unbegründet verworfen.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Hinsichtlich des Mitangeklagten H. ist das Berufungsurteil seit 8. Oktober 2010 rechtskräftig. Gegen ihn erkannte das Landgericht - unter Verwerfung der Berufung im Übrigen - auf die Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie auf fahrerlaubnisrechtliche Maßnahmen.
Das Rechtsmittel des Angeklagten P. ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Es führt zur Aufhebung des Urteils, soweit es den Angeklagten P. betrifft, und zu dessen Freisprechung (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 1 StPO).
II. Zum Tatgeschehen hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Am Samstag, den 11.07.2009, gegen 13:00 Uhr befuhren die beiden miteinander bekannten Angeklagten H. und P. mit ihren hochmotorisierten Pkw unter anderem die Kreisstraße 7409 auf Gemarkung Sch., die nach dem Ortsausgang von Schm.. in Richtung H. kurvenreich verläuft sowie Senken und Kuppen aufweist. H. folgte P., der aufgrund seines Navigationssystems den Weg vorgab, dabei in einem Abstand von nur 1 bis 1 ½, zum Teil 2 Fahrzeuglängen.
Ab Ortsausgang Schm., ca. 1,8 km vor der späteren Unfallstelle, ist auf der Strecke ein Überholverbot angeordnet. Wegen der topographischen Eigenheiten der Strecke verlangt die Orientierung an den Anforderungen des § 3 Abs.1 StVO eine Einschränkung der dort an sich zulässigen Geschwindigkeit von 100 km/h auf 80 oder höchstens 90 km/h. Trotzdem überholten beide Angeklagten etwa 1,5 km vor der späteren Unfallstelle, sehr dicht hintereinander herfahrend, mit deutlicher Überschussgeschwindigkeit einen anderen Pkw, der von seinem Fahrer gerade auf 80 bis 90 km/h beschleunigt worden war.
Nach dem Überholvorgang missachteten die Angeklagten das Rechtsfahrgebot, indem beide wenigstens noch 300 bis 400 m auf der Gegenfahrbahn verblieben, wobei P. das Tempo vorgab und H. sich aus Freude am Fahren lediglich kurz hinter dem Fahrzeug des P. hielt. Zu Gunsten des Angeklagten P. war davon auszugehen, dass dieser danach wieder auf die rechte Fahrspur wechselte und gleichzeitig möglicherweise auch seine Geschwindigkeit reduzierte.
Innerhalb der letzten maximal 1,2 km vor der späteren Unfallstelle überholte H.. den P., weil er durch die Fahrweise des P. der unter Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot die linke Fahrbahn eingehalten hatte, um ein jetzt für möglich gehaltenes Überholen des H. zu blockieren, zu falschem Verhalten motiviert worden war. Dies war für P. vorhersehbar; er hatte durch sein Verhalten dieses Überholen geradezu provoziert. P. hatte sich alleine durch den Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot über mehrere hundert Meter auf ein Spiel mit H. eingelassen (Du überholst mich hier nicht), das dieser aufnahm und fortsetzte. Diese nicht ungewöhnliche Reaktion des H. hätte P. als Autofahrer vorhersehen können.
Weil der Angeklagte H. schon die gesamte Fahrt mit seinem deutlich schneller eingeschätzten ...