Leitsatz (amtlich)

Zur Bedeutung der abstrakten Gefährlichkeit eines verkehrswidrigen Verhaltens bei der Feststellung des groben Verkehrsverstoßes i.S.d. § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB und zur Rücksichtslosigkeit bei nur fahrlässig begangener Straßenverkehrsgefährdung i.S.d. § 315a Abs. 3 StGB.

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Entscheidung vom 13.10.2020)

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 4. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 13. Oktober 2020 mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Amtsgericht - Strafrichter - Neustadt an der Weinstraße hat den Angeklagten mit Urteil vom 30. Juni 2020 wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c Abs. 1 Nr. 2b, Abs. 3 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der fahrlässigen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 50 Euro verurteilt, dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und eine Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von acht Monaten ausgesprochen.

Die Berufung des Angeklagten hat die 4. Kleine Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) mit Urteil vom 13. Oktober 2020 verworfen.

I.

1. Nach den Feststellungen der Strafkammer befuhr der Angeklagte am 27. Juni gegen 14:37 Uhr mit seinem Pkw, amtliches Kennzeichen ..., die L 532 von Haßloch kommend in Richtung Mußbach. Vor ihm fuhr zu jener Zeit in der nachfolgend genannten Reihenfolge der - mittlerweile verstorbene - Geschädigte H. sowie die Zeugen N. und Z. jeweils mit ihren Fahrzeugen. Im Fahrzeug des Geschädigten H. befand sich zudem die Geschädigte S. als Beifahrerin. Da der Geschädigte H. nach links in einen Feldweg einbiegen wollte, setzte er den entsprechenden Fahrtrichtungsanzeiger und bremste sein Fahrzeug ab. Aufgrund dessen bremsten auch die Zeugen Z. und N. ihre Fahrzeuge ab, sodass sie höchstens mit Schrittgeschwindigkeit fuhren. Der Zeuge N. betätigte hierbei durchgehend seine Bremse in der Absicht, dass nachfahrende Fahrzeuge durch das dauerhaft leuchtende Bremslicht frühzeitig gewarnt werden. Obwohl der Angeklagte diese Situation erkannte, beschloss er nur um seines schnelleren Fortkommens willen die Fahrzeugkolonne zu überholen, wobei er hierbei mit einer unangepassten hohen Geschwindigkeit fuhr. Als der Geschädigte H. mit seinem Fahrzeug entsprechend seiner Absicht nach links in Richtung Feldweg abbog, kam es zur Kollision mit dem Fahrzeug des Angeklagten. Hierdurch erlitt der Geschädigte H. einen Bruch des linken Schlüsselbeins, eine Fissur des linken Schulterblattes, einen Bruch mehrerer Rippen sowie multiple Prellungen am ganzen Körper. Seine Beifahrerin, die Geschädigte S., erlitt eine ausgekugelte Schulter rechts, einen Riss im rechten Schulterblatt, eine starke Prellung des rechten Arms sowie weitere multiple Prellungen und Schürfwunden. Zudem entstand ein Sachschaden am Fahrzeug des Geschädigten H. in Höhe von etwa 10.000,00 €. Dies wäre bei Beachtung der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt für den Angeklagten vermeidbar gewesen. Durch die Tat hat sich der Angeklagte als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.

2. Aufgrund der Aussagen der Zeugen N., Z. und N. sowie der in Augenschein genommenen Lichtbildern von der Unfallstelle sah die Strafkammer die Einlassung des Angeklagten, er habe mit durchaus normaler Geschwindigkeit zu einem Überholmanöver angesetzt, sowie die Behauptung, der Geschädigte H. habe keinen Blinker gesetzt, als widerlegt an. Anhand der in Augenschein genommener Lichtbilder (Bl. 7 ff. d.A.) sei zu erkennen, dass es sich bei der Unfallörtlichkeit um eine gerade, gut einsehbare Strecke handele. Die Strafkammer führt dann weiter aus, dass der Angeklagte die vor ihm befindlichen und höchstens Schritttempo fahrenden Fahrzeuge grob verkehrswidrig und rücksichtslos überholt habe.

Bereits der Überholvorgang sei in dieser Situation unter Zugrundlegung der Geschwindigkeit seines Fahrzeuges gem. § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO unzulässig, aber auch im Übrigen als ein solcher Verkehrsverstoß zu werten, der das Überholen als solches gefährlicher mache, und damit grob verkehrswidrig.

Der Angeklagte hätte in dieser Verkehrssituation seinen besonderen Sorgfaltspflichten entsprechend mit stark reduzierter Geschwindigkeit zu den drei Fahrzeugen aufschließen müssen und einen Überholvorgang nur dann einleiten dürfen, wenn er sich vergewissert hätte, hierbei keine anderen Verkehrsteilnehmer oder ein nach links abbiegendes Fahrzeug zu gefährden. Für den Geschädigten habe auch keine Verpflichtung bestanden, den etwaigen rückwärtigen Überholverkehr auf der Gegenfahrbahn zu beobachten.

Die Gefährlichkeit der Fahrweise des Angeklagten habe einen Grad an Gleichgültigkeit gegenüber der Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer erreicht, dass von einer...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?