Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr
Leitsatz (amtlich)
Eine vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr gem. Nr. 2400 RVG-VV ist als materiell-rechtlicher Anspruch einer Partei demgegenüber nur dann im Kostenfestsetzungsverfahren mit zu berücksichtigen, wenn deren Anfall und deren Berücksichtigungsfähigkeit auch ggü. dem Prozessgegner entweder unstreitig ist oder wenn jedenfalls die für die Berücksichtigung maßgebenden Tatsachen unstreitig sind.
Endet ein Verfahren mit einem Vergleich, der auch nicht eingeklagte Ansprüche umfasst, ist für eine Anrechnung kein Raum.
Normenkette
RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4; RVG-VV Nrn. 2400, 3100; ZPO §§ 103-104
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 23.07.2007) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Stuttgart vom 23.7.2007 wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 437,80 EUR.
Gründe
Mit der Klage wurde der Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe einer Hauptforderung von 14.840,17 EUR sowie auf Zahlung eines Verzugsschadens in Form einer 0,65-Geschäftsgebühr gem. Nr. 2400 RVG-VV zzgl. 20 EUR Auslagenpauschale und Umsatzsteuer in Anspruch genommen.
Mit gerichtlichem Vergleich vom 19.6.2007 haben sich die Parteien über Hauptsache und Kosten geeinigt. Der Vergleich lautet:
"1. Der Beklagte bezahlt an die Klägerin 14.840,17 EUR zzgl. Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.11.2006.
Bezahlt der Beklagte bis zum 15.8.2007 die Summe von 6.500 EUR zzgl. der festgesetzten Kosten, so wird ihm der Restbetrag erlassen. Sind die Kosten bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgesetzt und bezahlt er sie 14 Tage nach Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses an den Beklagtenvertreter, so wird ihm der Restbetrag dann erlassen.
2. Damit sind sämtliche streitgegenständlichen Ansprüche erledigt.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits."
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Klägerin als notwendige außergerichtliche Kosten auch den Anfall einer 1,3-Verfahrensgebühr ihre Bevollmächtigten aus dem Hauptsachestreitwert gem. Nr. 3100 RVG-VV zzgl. Umsatzsteuer geltend gemacht.
Der Beklagte ist der Festsetzung dieser Gebühr entgegengetreten, soweit eine Gebühr mit einem Satz von mehr als 0,65 einer vollen Rechtsanwaltsgebühr geltend gemacht wurde. Er hat sich darauf berufen, aufgrund der Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 IV RVG-VV könne die Klägerin wegen der schon vorgerichtlich angefallenen 1,3-Geschäftsgebühr gem. Nr. 2400 RVG-VV im Ergebnis nur noch eine halbe 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV - somit nur noch eine 0,65-Verfahrensgebühr - im Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen.
Die Klägerin ist diesem Einwand entgegengetreten.
Die Rechtspflegerin des LG hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23.7.2007 die geltend gemachten außergerichtlichen Kosten voll berücksichtigt und zzgl. Gerichtskosten insgesamt 2.623,19 EUR gegen den Beklagten festgesetzt.
Mit seiner fristgerecht hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde verfolgt der Beklagte seinen Einwand weiter, die geltend gemachte Verfahrensgebühr könne wegen der vorgerichtlich in vollem Umfang angefallenen Geschäftsgebühr, die auf die Verfahrensgebühr angerechnet werden müsse, nur noch zur Hälfte festgesetzt werden.
Die Klägerin tritt diesem Einwand auch im Beschwerdeverfahren entgegen. Sie verweist auch auf zu dieser Frage inzwischen bereits vorliegende obergerichtliche Rechtsprechung.
Die Rechtspflegerin des LG hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und hat es dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die Rechtspflegerin hat auf Antrag der Klägerin zu Recht eine 1,3-Verfahrensgebühr als Kosten des Rechtsstreits mit festgesetzt.
1. Eine weitergehende Anrechnung der bei der Klägerin aufgrund vorgerichtlicher Tätigkeit ihrer Bevollmächtigten entstandenen 1,3-Geschäftsgebühr gem. Nr. 2400 RVG-VV auf die auf die im gerichtlichen Verfahren gem. Nr. 3100 RVG-VV hier grundsätzlich ebenfalls mit einem Satz von 1,3 entstehende Verfahrensgebühr ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht aus der Entscheidung des BGH vom 7.3.2007 - (BGH v. 7.3.2007 - VIII ZR 86/06, AGS 2007, 283). Dieses Urteil betraf einen Fall, in dem der Kläger als Nebenforderung von vornherein eine volle 1,3-Geschäftsgebühr als materiellen Schadenersatzanspruch mit eingeklagt hatte. Dieses Vorgehen hat der BGH aufgrund der Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV als berechtigt beurteilt und im Zusammenhang damit dann darauf hingewiesen, dass die Anrechnung nach dem Wortlaut der Vorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV erst im Kostenfestsetzungsverfahren des Rechtsstreits erfolge.
2. Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin als materiell-rechtlichen Schadensersatzanspr...