Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des zuständigen Familiegerichts: Abgabe eines einstweiligen Anordnungsverfahrens nach einem eigenmächtigen Wohnsitzwechsel einer Kindesmutter mit dem gemeinsamen Kind
Leitsatz (amtlich)
1. Hatte ein Kind bei Eingang des Antrags, dem Antragsteller (Kindesvater) im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen, seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bezirk des Amtsgerichts Sigmaringen und wurde dieser Aufenthalt unmittelbar nach Eingang des Verfahrens aufgegeben, weil die Antragsgegnerin (Kindesmutter) unter Mitnahme des seit der Trennung vom Kindesvater in ihrem Haushalt lebenden gemeinsamen Kindes gegen den Willen des Kindesvaters ihren Wohnsitz nach Riesa verlegt hat, liegt ein wichtiger Grund des Familiengerichts Sigmaringen für die Abgabe an das Familiegericht Riesa u.a. deswegen vor, weil das für Riesa zuständige Jugendamt zu beteiligen und für das Kind ein Verfahrensbeistand zu bestellen ist.
2. Hat der Kindesvater nie am vorherigen Aufenthaltsort des Kindes gelebt, ist davon auszugehen, dass das Kind dort keinen Aufenthaltsort mehr hat.
Tenor
Das Amtsgericht - Familiengericht - Riesa wird zum zuständigen Gericht bestimmt.
Gründe
Der Antragsteller hat beim Amtsgericht Sigmaringen im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind der Beteiligten zu übertragen.
Der am 06.02.2017 beim Amtsgericht Sigmaringen eingegangene Antrag konnte der Antragsgegnerin an ihrem damaligen Wohnort im Bezirk des Amtsgerichts Sigmaringen nicht mehr zugestellt werden, da sie am 10.02.2017 - unter Mitnahme des sich seit der Trennung vom Antragsteller im Jahr 2007 in ihrem Haushalt lebenden gemeinsamen Sohnes - ohne Zustimmung des Antragsstellers ihren Wohnsitz nach Riesa verlegt hatte. Für den Sohn besteht die gemeinsame elterliche Sorge.
Das Amtsgericht Sigmaringen hat daraufhin - nach Anhörung der Beteiligten - das Verfahren mit Beschluss vom 15.02.2017 aus wichtigem Grund gemäß § 4 FamFG an das Amtsgericht Riesa abgegeben, da der Vater ebenfalls 235 km von Sigmaringen entfernt lebe, die Anhörung der Mutter und des Kindes im Rahmen des Verfahrens erforderlich seien und für die Hauptsacheentscheidung ebenfalls das Amtsgericht Riesa zuständig wäre.
Das Familiengericht Riesa hat die Übernahme abgelehnt, da der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes durch den Wegzug des Kindes aus Herdwangen-Schönach wegen des entgegenstehenden Willens des Vaters nicht geändert worden sei. Auch läge kein wichtiger Grund vor, das Verfahren trotz Unzuständigkeit zu übernehmen, da das Amtsgericht Riesa aus dem gleichen Grund nicht für das Hauptverfahren zuständig und das Verfahren von Riesa an das Amtsgericht Sigmaringen wegen des entgegenstehenden Willens des Vaters zum Aufenthaltswechsel zu verweisen sei, würde das Verfahren in Riesa anhängig gemacht. Die Umstände, die der Kindsmutter entstünden, habe sie selbst zu verantworten und das Kind könne gegebenenfalls durch den ersuchten Richter angehört werden.
Gemäß § 5 Abs.1 Nr.5 FamFG war das Amtsgericht Riesa als zuständiges Gericht zu bestimmen.
Es liegt ein wichtiger Grund des Familiengerichts Sigmaringen für die Abgabe an das Familiengericht Riesa vor.
Zwischen den Gerichten ist unstreitig, dass das Familiengericht Sigmaringen für das Verfahren zuständig war, da das Kind bei Antragseingang seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bezirk des Amtsgerichts Sigmaringen hatte. Dieser Aufenthalt des Kindes wurde aber unmittelbar nach Eingang des Verfahrens aufgegeben, da das Kind tatsächlich dort nicht mehr lebt. Gerade die Vorschrift des § 154 FamFG stellt klar, dass es einen Aufenthaltswechsel auch ohne Zustimmung des mitsorgeberechtigten Elternteils gibt, da ansonsten die Vorschrift überflüssig wäre. Deshalb ist anerkannt, dass ein Aufenthaltswechsel schon durch die bloße Aufenthaltsnahme begründet werden kann, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Aufenthalt an dem neuen Ort auf längere Zeit angelegt ist und der neue Ort der neue Daseinsmittelpunkt sein soll (vgl. Keidel, FamFG, § 154 Randnummer 2). Die Mutter beabsichtigt, ihren und des Kindes Aufenthalt dauerhaft nach Riesa zu verlegen, was schon daraus folgt, dass der Sohn dort in der Schule angemeldet wurde und der vorherige Wohnort aufgegeben wurde. Nachdem der Vater des Kindes nie am vorherigen Aufenthaltsort des Kindes gelebt hat, ist auch davon auszugehen, dass das Kind dort keinen Aufenthaltsort mehr hat.
Ein wichtiger Grund für die Abgabe liegt vor. Zwar ist dem Familiengericht Riesa zuzugeben, dass die Mutter für ihr eigenmächtiges Handeln nicht belohnt werden soll. Für den Vater, der gegen die Abgabe keine Einwendungen erhoben hat, ist die etwas weitere Strecke zum Gerichtsort zumutbar. Zu berücksichtigen ist aber insbesondere, dass nicht nur die Anhörung der Eltern und des Kindes erforderlich sein wird, sondern auch das zuständige Jugendamt zu beteiligen ist, das das für den Wohnsitz der Mutter zuständige ist, nachdem bisher...