Leitsatz (amtlich)
Bei einer Entscheidung nach § 29a Abs. 2 OWiG muss das Gericht hinsichtlich des Ob der Verfallsanordnung gegen die Drittbegünstigte und hinsichtlich der Höhe des für verfallen erklärten Betrages eigenes Ermessen ausüben und nicht nur die Ermessensentscheidung der Verwaltung überprüfen.
Verfahrensgang
AG Böblingen (Entscheidung vom 15.11.2012) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Böblingen vom 15. November 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wir zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Böblingen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Böblingen ordnete mit Urteil vom 15. November 2012 gegen die Betroffene den Verfall eines Geldbetrages von 1.224,26 Euro an. Dem liegt zugrunde, dass am 20. Februar 2012 mit einem Sattelzug vier Fahrten durchgeführt wurden, bei denen die Fahrzeugkombination mit Erdaushub überladen war.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Das zulässig eingelegte und begründete Rechtsmittel hat - vorläufigen - Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (§§ 79 Abs.3 OWiG, 349 Abs. 4 StPO).
Nach § 29a Abs. 2 OWiG kann gegen eine Person, die nicht Täter einer mit Geldbuße bedrohten Handlung ist, der Verfall eines Geldbetrages angeordnet werden, wenn der Täter für diese Person gehandelt und diese dadurch etwas erlangt hat. Das setzt die Feststellung der mit Geldbuße bedrohten Handlung voraus, wobei die Entscheidungsgründe hinreichend erkennen lassen müssen, wen der Tatrichter als Täter der mit Geldbuße bedrohten Handlung, die der Verfallsanordnung zugrunde liegt, angesehen hat (OLG Karlsruhe, ZfSch 2013, 172 mwN). Außerdem bedarf es der Feststellung der Tatsachen, die das Handeln\ für den Verfalls- betroffenen begründen und die belegen, dass dieser etwas erlangt hat.
Die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils hierzu sind lückenhaft und tragen die Verfallsanordnung nicht. Ihnen ist zwar zu entnehmen, dass am 20. Februar 2012 auf der L1187 bei Leonberg der Sattelzug mit dem amtlichen Kennzeichen xxxxxxx überladen war, und zwar bei vier zeitlich näher bestimmten Fahrten. Nicht festgestellt ist aber, wer Fahrer des Zuges und damit Täter war, in welcher Weise der Täter für die Betroffene gehandelt hat und warum diese dadurch etwas erlangt hat. Zwar kann nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe vermutet werden, dass die Betroffene Arbeitgeber des Fahrers, Halterin des Sattelzugs und Auftragnehmerin der Transportaufträge gewesen sein könnte. Die entsprechenden Tatsachen sind aber weder in dem erforderlichen Mindestumfang festgestellt noch sind sie auf Grund der übrigen Feststellungen evident.
Das Urteil muss ausreichend erkennen lassen, dass sich das Gericht der Notwendigkeit bewusst war, bei der Entscheidung nach § 29a Abs. 2 OWiG hinsichtlich des Ob der Verfallsanordnung gegen die Drittbegünstigte und hinsichtlich der Höhe des für verfallen erklärten Betrages eigenes Ermessen auszuüben und nicht nur die Ermessensentscheidung der Verwaltung zu überprüfen (dazu OLG Celle, NStZ-RR 2012, 151). Hier lässt die Fassung der Urteilsgründe befürchten, das Gericht habe die Ermittlung der Verfallsbeträge der Polizei überlassen und nur deren Schätzung auf Rechtsfehler überprüft. So wird ausgeführt, die jeweiligen Verfallsbeträge seien durch den Zeugen PK R. ... ermittelt" worden und "diese Ermittlung der Kostenansätze (begegne) keinerlei rechtlichen Bedenken" (UA Seite 5 Absatz 3 und 5).
Jedenfalls hat das Urteil auch deswegen keinen Bestand, weil die Grundlagen einer eigenen Schätzung gem. § 29a Abs. 3 OWiG nicht ausreichend festgestellt sind. Solche Feststellungen sind unverzichtbar (OLG Karlsruhe, NZV 2013, 98).
Allerdings geht das Amtsgericht zutreffend davon aus, dass das Entgelt, das einer Betroffenen für einen Transport zufließt, im Sinne von § 29a Abs. 2 OWiG "erlangt" ist (OLG Celle aaO). Auch ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn der Schätzung die Kostenansätze Gütertransport Straße (KGS) zugrunde gelegt werden, sofern keine anderen: konkret fallbezogenen Grundlagen für die Schätzung vorliegen. Die Feststellungen erlauben hier aber nicht, die Schätzung ausreichend nachzuvollziehen.
Der Inhalt der KGS im Einzelnen ist nicht allgemeinkundig. Deshalb hätte festgestellt werden müssen, auf welche Umstände es für die Entgeltberechnung nach den KGS ankommt, etwa die Art des Transportguts, das Gewicht und die Strecke sowie welche Beträge den hier für die einzelnen Fahrten festgestellten Umständen zuzuordnen sind. Tatsachengrundlagen für die Anwendung der. KGS gibt das Urteil insoweit, als das Transportgut (Erdaushub) und die jeweiligen Transportgewichte festgestellt sind. Auch wird ausgeführt, dass Transportstrecken von jeweils 33,4 km als im Internet ermittelte Entfernung zwischen Stuttgart und Mönchsheim zugrunde gelegt werden. Warum das Gericht von Transporten von Stuttgart...