Leitsatz (amtlich)
Bei Entscheidungen nach § 1628 BGB über die religiöse Kindererziehung (z.B. Taufe, Kommunion usw.) sind alle Gesichtspunkte des Einzelfalls zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen, wobei das Kindeswohl an vorderster Stelle steht. Es handelt sich hierbei um einen höchstpersönlichen Lebensbereich des Kindes, in dem der tatsächliche Wille auch jüngerer Kinder schon deshalb in besonderer Weise berücksichtigt werden muss. Dass das Kind nach § 5 RelKErzG mit Vollendung des 14. Lebensjahres selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden kann, ändert nichts an der Notwendigkeit einer umfassenden und auf den Einzelfall bezogenen Kindeswohlprüfung und führt nicht dazu, dass Anträge nach § 1628 BGB, die die religiöse Erziehung jüngerer Kinder betreffen, bereits aus diesem Grund in der Regel abzulehnen wären.
Normenkette
BGB § 1628; RelKErzG § 5
Verfahrensgang
AG Göppingen (Beschluss vom 05.11.2015; Aktenzeichen 10 F 945/15) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Göppingen vom 05.11.2015 abgeändert.
Die Befugnis, über die Taufe und die Teilnahme an der Kommunion des gemeinsamen Sohnes L., geboren am ... 2007, zu entscheiden, wird auf die Antragstellerin allein übertragen.
2. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin und der Antragsgegner je zur Hälfte; die Beteiligten tragen ihre außergerichtliche Kosten jeweils selbst.
3. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Aus der im Jahr 2012 geschiedenen Ehe der Antragstellerin mit dem Antragsgegner ist der Sohn L., geb ... 2007, hervorgegangen. L. lebt, ebenso wie seine Schwester T., geb ... 2004, bei der Mutter. Beide Kinder sind bislang nicht getauft. Die Antragstellerin ist katholischer, der Antragsgegner serbisch-orthodoxer Konfession. Aus der Beziehung der Mutter zu ihrem Partner V. ist das 3jährige Kind M. hervorgegangen.
Die Antragstellerin hat zunächst einen Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für T. und L. gestellt. Hiervon wurde das Verfahren nach § 1628 BGB abgetrennt.
Das AG hat L. in Anwesenheit von Frau P. als Verfahrensbeistand persönlich angehört und die Angelegenheit mit den Beteiligten in einem Termin erörtert. Bei seiner Anhörung hat L. erklärt, er wolle getauft werden und zur Kommunion gehen, er hat zur Begründung in erster Linie nicht-religiöse Umstände angeführt.
Das AG hat sodann durch Beschluss vom 05.11.2015 den Antrag der Antragstellerin auf Übertragung der Entscheidungsbefugnis, den gemeinsamen Sohn L. taufen und an der Kommunion teilnehmen zu lassen, zurückgewiesen und die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, es entspreche dem Kindeswohl zuzuwarten, bis L. das 14. Lebensjahr vollendet hat und er sodann nach § 5 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung (RelKErzG) selbst über die Religionszugehörigkeit entscheiden kann.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Die Antragstellerin beantragt, ihr die Entscheidungsbefugnis, den gemeinsamen Sohn L., geboren am.. 2007, taufen zu lassen und an der Kommunion teilnehmen zu lassen, zu übertragen. Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Senat hat L. in Anwesenheit von Frau P. ausführlich angehört und die Angelegenheit mit den Beteiligten und dem Vertreter des Jugendamts in einem Termin erörtert.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere zum Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
II. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin führt zu einer Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
Nach § 1628 BGB kann das Gericht die Entscheidungsbefugnis über eine Angelegenheit der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, auf einen Elternteil übertragen, wenn sich die Eltern nicht einigen können. Nach § 1697a BGB trifft das Gericht diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Die Frage, ob ein Kind getauft werden und an der Kommunion teilnehmen soll, ist eine solche von erheblicher Bedeutung (Staudinger/Peschel-Gutzeit, BGB-Kom., Bearb. 2014, § 1628 Rn. 29 m.w.N.). Die Eltern von L. konnten sich auch im Termin vor dem Senat in dieser Frage nicht einigen.
Bei der somit zu treffenden Entscheidung sind alle Gesichtspunkte zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen, wobei das Kindeswohl an vorderster Stelle steht. Ein Antrag nach § 1628 BGB, der die religiöse Erziehung eines Kindes betrifft, kann in der Sache nicht deshalb abgelehnt werden, weil staatliche Gerichte über derartige Fragen nicht entscheiden könnten (Staudinger/Salgo, BGB-Kom. Bearb. 2014, § 2 RelKErzG Rn. 9; Schwab, FamRZ 2014, 1 ff., 7). Dass das Kind nach § 5 RelKErzG mit Vollendung des 14. Lebensjahres selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden k...