Leitsatz (amtlich)
1. Ob ein Schiedsgutachten oder ein Schiedsrichterliches Verfahren vereinbart ist, richtet sich danach, welche Wirkung die Feststellung nach dem Willen der Parteien haben soll.
2. Danach kann auch eine als „Schiedsgutachten” bezeichnete Entscheidung der Gebührenabteilung einer Rechtsanwaltskammer ein Schiedsurteil sein.
Normenkette
ZPO §§ 1054, 1060, 1064; BGB § 317
Tenor
I. Der von dem Schiedsgericht, dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer S. durch seine selbstständige Gebührenabteilung, am 13.11.2001 erlassene Schiedsspruch:
1. Der Antragsgegner (dort Antragsteller) hat an den Antragsteller (dort Antragsgegner) einen Betrag i.H.v. 594,50 DM zu bezahlen
2. Der Antragsgegner (dort Antragsteller) trägt die Kosten des Verfahrens. Der Antragsgegner (dort Antragsteller) hat dem Antragsteller (dort Antragsgegner) Kosten i.H.v. 37,50 DM zu erstatten
wird für vollstreckbar erklärt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens über die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs.
III. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 303,96 Euro
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs der Rechtsanwaltskammer S.
Mit Vereinbarung vom 19.3.2001 schlossen die Parteien einen Vertrag über ein Schiedsgutachten. Danach erkennen beide Parteien das Schiedsgutachten der Rechtsanwaltskammer unter Ausschluss des Rechtsweges für beide Teile als endgültig rechtsverbindlich und vollstreckbar an. Das Schiedsgutachten sollte gem. der Schiedsgutachtenordnung der Rechtsanwaltskammer S. erstattet werden. Am 13.11.2001 erließ der Vorstand der Rechtsanwaltskammer S. durch seine selbstständige Gebührenabteilung ein Schiedsgutachten mit „nachfolgendem Schiedsspruch”. Danach hat der Antragsgegner (dort Antragsteller) an den Antragsteller (dort Antragsgegner) einen Betrag i.H.v. 594,50 DM zu bezahlen, trägt die Kosten des Verfahrens und hat dem Antragsteller (dort Antragsgegner) Kosten i.H.v. 37,50 DM zu erstatten.
Der Antragsteller beantragt, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären.
Der Antragsgegner trägt vor, das erstellte Schiedsgutachten gehe an dem von ihm vorgetragenen Sachverhalt vorbei. Das Gutachten nehme eine andere Wertung und Thematisierung vor als von ihm gewünscht. Er habe nicht den Gegenstandswert, sondern die inhaltliche Vertretung durch den Vollstreckungsantragsteller angezweifelt. Dieser rechne Leistungen ab, die er nicht erbracht habe. Das zu prüfen sollte das Ergebnis des Schiedsgutachtens sein.
II. Der Schiedsspruch ist nach § 1060 ZPO für vollstreckbar zu erklären. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist in der Form des § 1064 Abs. 1 ZPO gestellt. Dem Antrag lag der Schiedsspruch im Original bei. Der Schiedsspruch erfüllt die formellen und inhaltlichen Voraussetzungen des § 1054 ZPO. Danach muss der Schiedsspruch schriftlich erlassen und durch den oder die Schiedsrichter unterschrieben sein. Er muss eine Begründung enthalten und den Tag seines Erlasses sowie den Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens angeben. Der Schiedsspruch, der den 13.11.2001 als Datum und den Ort des Verfahrens mit der Adressenangabe „S.” der Rechtsanwaltskammer S. enthält, ist vom Schiedsrichter unterschrieben und enthält auch eine Begründung.
Es handelt sich auch um einen Schiedsspruch in einem Schiedsverfahren nach §§ 1025 ff. ZPO und nicht ein Schiedsgutachten i.S.v. § 317 BGB. Nach dem Wortlaut kann es sich sowohl um ein Schiedsgutachten – so die Überschrift – als auch um ein Schiedsurteil – so die Bezeichnung „Schiedsspruch” – handeln. Gegen ein Schiedsurteil spricht auch nicht, dass die nach § 1054 ZPO erforderlichen Angaben nicht zusammengefasst sind, sondern sich aus verschiedenen Stellen bis hin zum eingedruckten Briefkopf ergeben. Nach § 1054 ZPO ist eine Urteilsformel wie in § 313 ZPO für gerichtliche Urteile nicht erforderlich. Dass übliche Formeln in einem von Rechtskundigen verfassten Schriftstück nicht verwendet werden, besagt über den Inhalt aber nichts. Dass es sich um einen Schiedsspruch handelt, ergibt sich daraus, dass die Parteien ein Schiedsverfahren vereinbart haben und der Schiedsspruch dieses Verfahren abschließen sollte. Zwar verwendet auch die Vereinbarung vom 19.3.2001 den irreführenden Begriff „Schiedsgutachten”. Dieser Wortlaut spricht für eine Schiedsgutachtensvereinbarung. Doch ist ein anderes Verständnis der Parteien möglich, obwohl bei von Rechtskundigen formulierten Verträgen die Bezeichnung in stärkerem Maße dafür spricht, dass sie auch dem materiellen Gehalt des Vertrages entspricht (BGH v. 20.3.1998 – V ZR 25/97, MDR 1998, 829 = NJW 1998, 2136). Ob ein Schiedsgutachten oder ein Schiedsverfahren vereinbart ist, richtet sich nicht allein nach den von den Parteien gebrauchten Bezeichnungen, sondern danach, welche Wirkung die Feststellung nach dem Willen der Parteien haben soll. Soll eine Überprüfung auf offenbare Unrichtigkeit durch das staatliche Gericht möglich sein, handelt es sich um ein Schiedsgutachten. Ein Schiedsvertrag liegt nur vor, wenn ...