Entscheidungsstichwort (Thema)
Entstehung und Erstattungsfähigkeit der Einigungsgebühr bei übereinstimmender Erledigung und Einigung über die Kostentragung
Leitsatz (amtlich)
Wählen anwaltlich vertretene Parteien anstelle eines formgerechten gerichtlichen Vergleichs mit den sich aus RVG VV Nr. 1000, 1003 ergebenden Kostenfolgen absichtlich eine abweichende Form, die für sich genommen diese kostenrechtlichen Folgen vermeidet - hier übereinstimmende Erledigungserklärungen bei Kostenübernahme des Beklagten -, so ist daraus regelmäßig auf einen Verzicht der beteiligten Parteien auf Erstattung der angefallenen Einigungsgebühr zu schließen.
Normenkette
RVG KV Nrn. 1000, 1003; ZPO § 91 Abs. 1-2, § 91a Abs. 1
Verfahrensgang
LG Ulm (Beschluss vom 14.06.2018; Aktenzeichen 2 O 336/16) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Ulm vom 14.06.2018, Az. 2 O 336/16, wird, soweit ihr nicht mit Beschluss vom 16.08.2018 abgeholfen worden ist, zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die gemäß §§ 11 Abs. 2 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 ff ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers ist unbegründet.
1. Die sofortige Beschwerde ist ohne inhaltliche Beschränkung eingelegt worden, weshalb sich der Wert des Beschwerdeverfahrens zunächst auf 2.830,90 EUR und nach der Teilabhilfeentscheidung vom 28.03.2018 noch auf 2.014,91 EUR beläuft. Damit ist der für die Zulässigkeit notwendige Beschwerdewert erreicht.
Dass die Beschwerde - auch hinsichtlich der Höhe der Einigungsgebühr - ohne Beschränkung eingelegt worden ist, ergibt sich aus den Ausführungen der Beschwerdeschrift, nachdem der Beschwerdeführervertreter von "die Einigungsgebühr" spricht und "mindestens" eine 1,0 Gebühr aus einem Streitwert von 13.591,13 EUR geltend macht, zudem aber ein Kosteninteresse in Höhe von 16.000,00 EUR (dieser Betrag ist der Höhe nach nicht nachvollziehbar) berücksichtigt wissen will, ohne einen konkreten, bezifferten Antrag zu stellen.
2. Die Beschwerde hat, soweit ihr nicht bereits das Landgericht abgeholfen hat - dies gilt für die Umsatzsteuer bzgl. der Anwaltsvergütung -, im Ergebnis keinen Erfolg.
a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Beklagten ist auch die geltend gemachte Einigungsgebühr entstanden. Sie ist jedoch nicht festsetzbar, weshalb die diesbezügliche, ablehnende Entscheidung der Rechtspflegerin im Ergebnis zutreffend ist.
aa) Zwar stellt eine schlichte Erledigungserklärung lediglich eine bloße Prozesserklärung dar, dies auch dann, wenn beide Parteien eines Rechtsstreits eine solche abgeben. Vorliegend haben die Parteien jedoch nicht einfach jede für sich eine Erledigterklärung abgegeben, sondern ausweislich der Gerichtsakte ist der Abgabe dieser Erklärungen eine Einigung unter Beteiligung des Gerichts vorausgegangen dahingehend, dass der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt werden soll. Mit Verfügung vom 23.02.2018 hat nämlich das Gericht angeregt, dass nicht nur der Klageantrag Ziffer 1, sondern auch die Klageanträge Ziffern 2-4 für erledigt erklärt werden und dafür die Beklagte die Verfahrenskosten übernimmt. Daraufhin hat die Beklagte ihre Übernahme der Verfahrenskosten ausdrücklich unter die Bedingung gestellt, dass der Rechtsstreit insgesamt für erledigt erklärt wird (Schriftsatz vom 16.03.2018) und der Kläger mitteilen lassen, dass er den Rechtsstreit auch im Übrigen für erledigt erklären wird, wenn die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits insgesamt übernimmt (Schriftsatz vom 15.03.2018). Hier liegen - ohne weiteres erkennbar - zwei in allen Einzelheiten übereinstimmende Erklärungen der Parteien hinsichtlich der weiteren Verfahrensweise zur Beendigung des Rechtsstreits vor, also eine Einigung. Entsprechend dieser Einigung haben dann beide Parteien ihre Prozesserklärungen abgegeben (Schriftsätze vom 22.03.2018 und vom 27.03.2018), woraus ohne weiteres zu ersehen ist, dass es sich vorliegend eben nicht um schlichte Prozesserklärungen handelt.
bb) Die Einigungsgebühr ist jedoch nicht festsetzbar, weil davon auszugehen ist, dass die Parteien konkludent auf eine Erstattung von Vergleichsgebühren verzichtet haben.
Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 24.03.2005 - 8 W 112/05 - (so auch OLG Hamm Beschluss vom 26.11.2001 - 23 W 168/01; ähnlich auch OLG Frankfurt Beschluss vom 02.10.1989 - 12 W 277/89 und OLG Zweibrücken Beschluss vom 22.09.1998 - 8 W 42/98)ausgeführt, dass dann, wenn anwaltlich vertretene Parteien anstelle eines formgerechten gerichtlichen Vergleichs mit den sich daraus ergebenden Kostenfolgen (Entstehen einer Einigungsgebühr) absichtlich eine abweichende Form wählen, die für sich genommen diese kostenrechtlichen Folgen vermeidet, daraus auf einen Verzichtsvertrag der beteiligten Parteien auf Erstattung von Vergleichskosten zu schließen ist. Ansonsten würden die wirtschaftlichen Vorteile, die mit der gewählten prozessualen Vorgehensweise verbunden sind, über das Kostenrecht teilwe...