Leitsatz (amtlich)
1. Zur Ergänzung des Aufsichtsrats einer mitbestimmten Aktiengesellschaft nach § 104 Abs. 2 AktG um einen Vertreter von Gewerkschaften (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 MitbestG) im Falle miteinander konkurrierender Vorschläge von Gewerkschaften (§ 104 Abs. 4 Satz 4 AktG).
2. Die Wahrnehmung von Organtätigkeiten in einem Konkurrenzunternehmen stellt im Allgemeinen kein Hindernis für die nach § 104 AktG durch das Gericht vorzunehmende Bestellung als Aufsichtsrat dar.
3. Bei der nach § 104 AktG durch das Gericht vorzunehmenden Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds als Vertreter von Gewerkschaften im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 MitbestG kommt einem der Arbeitnehmerschaft der betroffenen Gesellschaft zugehörigen gegenüber einem externen Gewerkschaftsvertreter kein genereller Vorrang zu.
4. Bei der nach § 104 AktG durch das Gericht vorzunehmenden Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds als Vertreter von Gewerkschaften im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 MitbestG ist ein für die von dem Gericht zu treffende Ermessensentscheidung maßgebendes Auswahlkriterium des Inhalts, dass alle im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften innerhalb der Arbeitnehmerbank des Aufsichtsrats repräsentiert sein müssen, nicht anzuerkennen.
5. Im Verfahren der gerichtlichen Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds nach § 104 AktG bedarf es der Anberaumung eines Termins, der Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten zu einem solchen Termin sowie der persönlichen Anhörung eines Beteiligten nicht etwa regelmäßig, sondern nur unter den dafür gesetzlich bestimmten Voraussetzungen (§§ 32 Abs. 1 Satz 1, 33 Abs. 1 Satz 1, 34 Abs. 1 Nr. 1 FamFG). Dies gilt sowohl für das erstinstanzliche als auch für das Beschwerdeverfahren (§ 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG).
Normenkette
AktG § 104 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Stuttgart (Beschluss vom 25.08.2016; Aktenzeichen HRB19360) |
Tenor
1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des AG Stuttgart vom 25.08.2016 - HRB 19360 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 60.000,00 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Gegenstand des Verfahrens ist die gerichtliche Ergänzung des gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 3 MitbestG aus zwanzig Mitgliedern - zehn Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner sowie zehn Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer, von denen sieben Arbeitnehmer der Gesellschaft und drei Vertreter von Gewerkschaften sind - bestehenden Aufsichtsrats der X AG (im Folgenden: Gesellschaft) nach § 104 AktG. Zu ergänzen ist die Arbeitnehmerbank des Aufsichtsrats mit einem "Vertreter von Gewerkschaften" im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 MitbestG, nachdem Frau Dr. S. M. zum 30.06.2016 aus dem Aufsichtsrat der Gesellschaft ausgeschieden ist.
Anträge auf gerichtliche Ergänzung haben die Beschwerdeführerin, die Y. (im Folgenden: Y), unter dem 18.05.2016 (GA 1) bzw. unter dem 25.07.2016 (GA 26 ff.), der Vorstand der Gesellschaft unter dem 01.06.2016 (nach GA 4) sowie die Z unter dem 31.05.2016 (GA 3) bzw. unter dem 11.07.2016 (GA 20) gestellt. Der Vorstand der Gesellschaft sowie die Z haben beantragt, Frau S. W. als Aufsichtsratsmitglied zu bestellen, wohingegen die Beschwerdeführerin beantragt hat, Frau Dr. U. S. zu bestellen.
Zur weiteren Sachdarstellung verweist der Senat auf die Darlegung unter I der Gründe des angefochtenen Beschlusses.
Das AG hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 25.08.2016 Frau S. W. nach § 104 AktG als Aufsichtsratsmitglied bestellt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es seien zwar beide vorgeschlagenen Personen generell geeignet, das Aufsichtsratsmandat zu übernehmen, es sei im Rahmen des dem Gericht eingeräumten Ermessens jedoch Frau W. zu bestellen. Hierfür spreche insbesondere, dass es sich bei ihr im Gegensatz zu Frau Dr. S. um eine Volljuristin mit Schwerpunkt im Arbeits- und Sozialrecht handle, durch die der notwendige Sachverstand im Aufsichtsrat der Gesellschaft, dem derzeit lediglich ein Jurist angehört, ergänzt werden könne. Zudem verfüge Frau W. bereits über diverse einschlägige Erfahrung, weil sie als Aufsichtsrätin verschiedener, u.a. dem xxx-sektor zugehöriger Unternehmen, darunter eines Dax-Konzerns, tätig ist bzw. war. Ein Interessenwiderstreit zwischen der Aufsichtsratstätigkeit bei der Gesellschaft und dem noch bestehenden Aufsichtsratsmandat der Frau W. bei der S. AG bestehe nicht. Vergleichbare Erfahrungen fehlten hingegen Frau Dr. S., bei der insbesondere aufgrund ihrer langjährigen Beschäftigung bei der Gesellschaft gerade in leitender Funktion zudem die Gefahr von Beeinflussung und Abhängigkeit bestehe, was zu Interessenkonflikten mit einer Aufsichtsratstätigkeit führen könne.
Wegen der von dem AG gegebenen Begründung verweist der Senat im Übrigen auf die Darstellung unter II der Gründe des angefochtenen Beschlusses.
Gegen diese ihr am 30.08.2016 bekanntgegebene Entscheidung hat die Beschwerdeführerin mit am 29.09.2016 be...