Leitsatz (amtlich)

1. Das vorgeschaltete Versöhnungsverfahren und das weitere Scheidungsverfahren nach französischem Recht sind als ein einheitliches Verfahren i.S.d. Art. 19 Abs. 1 EuEheVO anzusehen.

2. Die Rechtsfolge des Art. 19 Abs. 3 EuEheVO besteht nach deutschem Verfahrensrecht in der Abweisung des Antrags.

 

Normenkette

EuEheVO Art. 19 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart (Beschluss vom 03.05.2017; Aktenzeichen 27 F 1109/15)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Stuttgart vom 03.05.2017 wird

zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 15.700,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die beteiligten Ehegatten haben am 05.01.2007 vor dem Standesbeamten des Standesamtes S. unter der Heiratsurkunden-Nr. ... die Ehe miteinander geschlossen. Die Antragstellerin, die zunächst moldawische Staatsangehörige war, hat inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit erworben, der Antragsgegner ist deutscher Staatsangehöriger. Aus der Ehe ist das Kind M. G. geb. am ....2008, hervorgegangen.

Am 13.05.2014 trennten sich die Ehegatten. Der Antragsgegner zog aus der Ehewohnung in T., Frankreich, aus, in der die Antragstellerin nach der Trennung zunächst noch verblieb. Die Antragstellerin wohnt inzwischen mit dem gemeinsamen Sohn in S..

Der Antragsgegner hatte am 18.08.2014 bei dem Tribunal de Grande Instance in T. durch seinen dortigen Verfahrensbevollmächtigten eine Antragsschrift betreffend die Scheidung der Ehe der Beteiligten eingereicht. Dieses Verfahren führt dort das Aktenzeichen .... Die Antragstellerin hat in diesem Verfahren das Fehlen der örtlichen und internationalen Zuständigkeit zunächst nicht beanstandet.

Durch Beschluss vom 17.10.2014, der - übersetzt - mit "Beschluss über die Erfolglosigkeit des Sühneversuchs" überschrieben ist, erklärte das Tribunal de Grande Instance, T., "die angerufene Gerichtsbarkeit" im Hinblick auf die EuEheVO für zuständig und traf weitere Anordnungen, auch in Bezug auf das weitere Verfahren.

Durch am 28.05.2015 beim Amtsgericht - Familiengericht - Stuttgart eingegangenen Schriftsatz ihres Bevollmächtigten beantragte die Antragstellerin die Scheidung ihrer Ehe. Im Juni 2016 betrieb der Ehemann das Scheidungsverfahren vor dem Tribunal de Grande Instance, T., weiter.

Die Antragstellerin hält das Amtsgericht Stuttgart und nicht das Tribunal de Grande Instance, T., für zuständig. Ein vorrangiges Ehescheidungsverfahren sei in T. nicht anhängig, da das dortige Verfahren durch die Entscheidung vom 17.10.2014 abgeschlossen worden sei. Hilfsweise beruft sich die Antragstellerin darauf, dass das Tribunal de Grande Instance, T., zu keinem Zeitpunkt örtlich und international zuständig gewesen sei, da damals weder die Antragstellerin noch der Antragsgegner einen "ständigen Aufenthalt" in T. gehabt hätten. Eine Zurückweisung ihres Scheidungsantrags im vorliegenden Verfahren könne nicht erfolgen, da das Verfahren auszusetzen sei, bis die internationale Zuständigkeit des Gerichts in T. rechtskräftig geklärt sei.

Die Antragstellerin hat im ersten Rechtszug beantragt,

die am 05.01.2007 (Heiratseintrag Nummer 1/2007) vor dem Standesbeamten des Standesamtes S. geschlossene Ehe der Ehegatten zu scheiden.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag der Antragstellerin auf Scheidung zurückzuweisen, hilfsweise das Verfahren auszusetzen.

Der Antragsgegner ist der Ansicht, dass eine internationale Zuständigkeit nicht gegeben sei. Bei dem in Frankreich 2014 eingeleiteten und weiterhin dort geführten Ehescheidungsverfahren habe es sich immer um ein und dasselbe Scheidungsverfahren gehandelt. Das Ehescheidungsverfahren, das nach wie vor dasselbe Aktenzeichen trage, sei fortgesetzt worden. Das Tribunal de Grande Instance, T., habe seine internationale Zuständigkeit durch Beschluss vom 17.10.2014 festgestellt und damit vor Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren. Nach der Rechtsprechung des französischen Cour de Cassation sei ein französisches Scheidungsverfahren bereits ab Einreichung des "requête en divorce" anhängig. Bei der ersten Antragstellung in Frankreich hätten beide Beteiligten dort ihren ausschließlichen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt gehabt und der Antragsgegner habe dort noch immer seinen gewöhnlichen Aufenthalt.

Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 03.05.2017 entschieden:

1. Der Antrag der Antragstellerin wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

3. Der Verfahrenswert wird auf 15.700 EUR festgesetzt.

Es hat zur Begründung ausgeführt, der Scheidungsantrag der Antragstellerin sei wegen entgegenstehender anderweitiger Rechtshängigkeit als unzulässig zurückzuweisen. Vor dem Landgericht T., Frankreich, sei ein Verfahren im Sinne von Art. 19 Abs. 1 EuEheVO zwischen denselben Parteien anhängig, das einen identischen Streitgegenstand w...

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