Leitsatz (amtlich)
Die Anordnung einer Blutentnahme durch einen Polizeibeamten im Wege der Eilkompetenz ist bei irriger Annahme drohenden Beweismittelverlustes durch raschen Abbau von Betäubungsmitteln im Körper nicht willkürlich und führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.
Verfahrensgang
AG Waiblingen (Entscheidung vom 23.07.2007; Aktenzeichen 5 OWi 61 Js 51192/07) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 23. Juli 2007 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter dem Einfluss berauschender Mittel zu der Geldbuße von 250 EUR und zu einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt.
Es hat festgestellt:
Am 19. März 2007 gegen 18.15 Uhr führte der Betroffene auf der in einen Pkw, obwohl er THC-haltiges Cannabis, Amphetamine und Kokain konsumiert hatte und unter dem Einfluss dieser Drogen stand; er zitterte stark am ganzen Körper.
Bei einer polizeilichen Kontrolle um 18.15 Uhr ergab ein Drogenvortest Hinweise auf die genannten Betäubungsmittel. PM ordnete daher eine Blutentnahme an. Nach Belehrung gab der Betroffene an, er habe am Vortag ein bis eineinhalb Joints geraucht, jedoch keine weiteren Betäubungsmittel konsumiert. Die Blutentnahme wurde um 19.01 Uhr durch einen Arzt durchgeführt. Der anordnende Polizeibeamte hatte zuvor weder den Bereitschaftsstaatsanwalt noch den Bereitschaftsrichter zu erreichen versucht, um eine richterliche Anordnung der Blutentnahme herbeizuführen. Er ging davon aus, dass die Einholung der richterlichen Anordnung zu einer zeitlichen Verzögerung geführt hätte, die den Untersuchungserfolg bei fortschreitendem Abbau der im Blut vorhandenen Drogen und Drogenderivate gefährdet hätte.
Die Untersuchung des entnommenen Blutes ergab erhebliche Mengen von Tetrahydrocannabinol, Amphetamin und Kokain sowie von deren Derivaten, insbesondere des Abbauprodukts Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure. Nach den Feststellungen hätte die richterliche Anordnung einer Blutentnahme "im Idealfall" binnen einer viertel Stunde, also ohne nennenswerten Zeitverzug, telefonisch beim Bereitschaftsrichter erreicht werden können. Die Voraussetzungen von "Gefahr im Verzug" lagen nicht vor. Der Bereitschaftsrichter hätte die Anordnung zur Blutentnahme getroffen.
II.
1.
Der Einzelrichter des Bußgeldsenats hat die Sache gemäß § 80 a Abs. 3 OWiG zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
2. Die - zulässige - Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist in der Sache nicht begründet. Er beanstandet mit der allein erhobenen Verfahrensrüge, der die Blutentnahme anordnende Polizeibeamte habe vorsätzlich die Einholung einer - wegen fehlender Einwilligung notwendigen - richterlichen Anordnung unterlassen; der schwerwiegende Verstoß gegen den Richtervorbehalt habe nicht nur zu einem Beweiserhebungsverbot, sondern auch zu einem Beweisverwertungsverbot geführt, das seinen Freispruch zur Folge haben müsse.
a)
Die Anordnung der Entnahme einer Blutprobe zu Beweiszwecken darf nach §§ 46 Abs. 1 OWiG, 81 a Abs. 2 StPO nur durch den zuständigen Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch Verzögerung auch durch die Staatsanwaltschaft und deren Ermittlungspersonen erfolgen. Der gesetzlich angeordnete Richtervorbehalt hat seinen Grund darin, dass es sich um einen Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit handelt, auch wenn der Eingriff nach § 81 a Abs. 1 Satz 2 StPO nur durch einen Arzt im Rahmen der Regeln ärztlicher Kunst erfolgen darf.
b)
Ohne Rechtsfehler hat das Amtsgericht die materiellen Eingriffsvoraussetzungen des § 81 a Abs. 1 Satz 2 StPO bejaht. Der Drogenvortest war für drei Drogenarten positiv ausgefallen, der Betroffene hatte körperliche Ausfallerscheinungen, die auf Drogeneinfluss hindeuteten, und er hatte eingeräumt, mindestens einen Joint konsumiert zu haben. Der Bereitschaftsrichter hätte nach diesen Feststellungen die Anordnung zur Blutentnahme erteilen müssen.
c)
Die formellen Voraussetzungen der Anordnung liegen indes nicht vor. Der Polizeibeamte hätte auch in seiner Eigenschaft als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft die Anordnung nicht erteilen dürfen, da eine Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch Verzögerung nach den Feststellungen nicht vorlag. Er hätte - im Idealfall binnen einer viertel Stunde - die richterliche Anordnung telefonisch herbeiführen können. Da sich die Notwendigkeit der Entnahme einer Blutprobe nach dem Drogenvortest gegen 18.30 Uhr erwies und die Entnahme um 19.01 Uhr erfolgte, stand sogar eine halbe Stunde zur Verfügung. Notfalls hätte, ohne den Untersuchungserfolg zu gefährden, kurzfristig zugewartet werden können, falls der Bereitschaftsrichter nicht sofort erreichbar gewesen wäre. Erst wenn dieser trotz des nachhaltigen und wiederholten Versuchs des Polizeibeamten nich...