Leitsatz (amtlich)
1. Werden neben einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts deren Gesellschafter mit verklagt und diese von einem Prozessbevollmächtigten im Zivilprozess vertreten, fällt hierdurch für jeden Gesellschafter bis zur gesetzlichen Obergrenze eine Erhöhungsgebühr gem. § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO/Nr. 1008 RVG-VV an.
2. Nachdem im Passivprozess neben der Gesellschaft bürgerlichen Rechts die einzelnen Gesellschafter zur Verwirklichung der persönlichen Gesellschafterhaftung in Anspruch genommen und verklagt werden können, ist es zur zweckentsprechenden Verteidigung i.S.d. § 91 ZPO notwendig, dass sich die Gesellschafter selbst neben der Gesellschaft von einem Rechtsanwalt im Zivilprozess vertreten lassen und ihre Rechte wahrnehmen. Eine Erhöhungsgebühr gem. § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO/Nr. 1008 RVG-VV ist deshalb erstattungsfähig (Abgrenzung zum Aktivprozess der Gesellschaft bürgerlichen Rechts).
Normenkette
BGB § 705; ZPO § 91; RVG-VV Nr. 1008; BRAGO § 6 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Ravensburg (Beschluss vom 16.02.2006; Aktenzeichen 5 O 229/03) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Ravensburg vom 16.2.2006 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die mit der Zurückweisung seiner sofortigen Beschwerde angefallene Gerichtsgebühr und die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Streitwert des Beschwerdeverfahrens: 3.146,19 EUR.
Gründe
I. Der Kläger hatte im vorliegenden Zivilprozess neben der Beklagten zu 1), einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter als weitere Beklagte in Anspruch genommen. Im Berufungsverfahren vor dem OLG Stuttgart, AZ: 14 U 42/05, schlossen die Parteien einen das Verfahren abschließenden Prozessvergleich, in dem zu den Kosten vereinbart wurde, dass der Kläger 85 % der Kosten des Rechtsstreits und die Beklagten 15 % zu tragen haben mit Ausnahme der Vergleichsgebühren und der Auslagen für die Terminswahrnehmung, die jede Partei selbst trägt.
Auf die wechselseitigen Kostenanträge hat die Rechtspflegerin nach Kostenausgleich mit Beschluss vom 16.2.2006 die vom Kläger den Beklagten zu erstattenden Kosten mit 16.055,23 EUR festgesetzt.
Gegen den am 23.2.2006 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 9.3.2006 ein als Erinnerung bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt, mit der er sich gegen die Berücksichtigung einer Mehrvertretungsgebühr von mehr als 0,3 wendet. Die neben der Gesellschaft verklagten Gesellschafter der GbR hätten gleich gerichtete Interessen gehabt, weshalb die Beklagten Ziff. 2 bis 7 in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit zu betrachten seien, so dass für diese zusammen lediglich eine Erhöhungsgebühr von 0,3 angefallen sei.
Die Beklagten sind der sofortigen Beschwerde des Klägers entgegengetreten.
Am 21.3.2006 hat die Rechtspflegerin des LG Ravensburg die sofortige Beschwerde ohne Abhilfe dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die als sofortige Beschwerde statthafte (§ 104 Abs. 3 S. 1 ZPO) sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig, aber in der Sache unbegründet.
1. Neben der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind hier als Beklagte 2 bis 7 die Gesellschafter der Beklagten 1 verklagt worden. Sämtliche Beklagten wurden im Verfahren von einem Prozessbevollmächtigten vertreten. Werden mehrere Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts von einem Prozessbevollmächtigten im Zivilprozess vertreten, fällt hierdurch für jeden Gesellschafter bis zur gesetzlichen Obergrenze eine Erhöhungsgebühr gem. § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO/Nr. 1008 RVG-VV an (BGH v. 18.6.2002 - VIII ZB 6/02, BGHReport 2002, 959 = MDR 2002, 1216 = NJW 2002, 2958: 20/10tel bei 400 Gesellschaftern; JurBüro 2004, 145: 20/10-tel Erhöhungsgebühr; JurBüro 2004, 375 zur Erbengemeinschaft; OLG Stuttgart v. 18.4.2000 - 8 W 717/99, Die Justiz 2000, 341 = Rpfleger 2000, 427: 20/10-tel bei 400 Gesellschaftern; KG JurBüro 2005, 419).
Die vom Kläger zitierte Entscheidung des Senats vom 29.5.1979 (OLG Stuttgart Die Justiz 1979, 297 [298]) betrifft einen anderen Sachverhalt, weil dort neben der Gesellschaft nicht mehrere Gesellschafter, sondern lediglich eine Komplementärin mitverklagt war.
2. Für die Frage der Gebührenerhöhung nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO/Nr. 1008 RVG-VV ist nicht entscheidend, ob die mehreren Auftraggeber an den Rechtsanwalt aufgrund einheitlicher Willensbildung herantreten oder im Prozess als Einheit auftreten (BGH JurBüro 2004, 375; a.A. OLG Hamm NJW-RR 2002, 1219). Angesichts der typisierenden und generalisierenden gesetzlichen Regelung kommt es allein darauf an, ob an der betreffenden Angelegenheit, in der der Rechtsanwalt tätig wird, mehrere rechtsfähige oder doch im Rechtsverkehr so behandelte natürliche oder juristische Personen beteiligt sind (BGH v. 18.6.2002 - VIII ZB 6/02, BGHReport 2002, 959 = MDR 2002, 1216 = NJW 2002, 2958: 20/10tel bei 400 Gesellschaftern; JurBüro 2004, 145: 20/10tel Erhöhungsgebühr; JurBüro 2004, 375 zur Erbengemeinschaft). Angesichts der verschiedenen Haftungsmassen der Gesellschaft bürgerl...