Leitsatz (amtlich)
Hat nur ein Ehegatte Grundrenten-Entgeltpunkte erlangt, ist im Rahmen der Ermessensausübung gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG davon auszugehen, dass für den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Teilung von Grundrenten-Entgeltpunkten ein nennenswerter zusätzlicher Verwaltungsaufwand entsteht, der ein Absehen vom Bagatellausgleich nach § 18 Abs. 2 VersAusglG rechtfertigen kann (Anschluss an OLG Frankfurt, Beschluss vom 6.2.2024 - 1 UF 188/23 - juris Rn. 24 ff., gegen OLG Bamberg, Beschluss vom 31.8.2022 - 7 UF 161/22 - juris Rn. 20).
Normenkette
VersAusglG §§ 2, 18-19
Verfahrensgang
AG Reutlingen (Beschluss vom 17.04.2024; Aktenzeichen 8 F 1026/23) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der D... wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Reutlingen vom 17.4.2024 in Ziff. 2 der Beschlussformel dahingehend abgeändert, dass nach Absatz 3 ergänzend folgender weiterer Absatz eingefügt wird:
Ein Ausgleich des Anrechts der Antragsgegnerin bei der D... (Vers. Nr. ...) findet bezüglich der Entgeltpunkte aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nicht statt.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 3.006 EUR
Gründe
I Der am 22.2.1965 geborene Antragsteller und die am 12.7.1963 geborene Antragsgegnerin schlossen am 25.8.1995 die Ehe. Der Scheidungsantrag wurde am 5.12.2023 zugestellt.
In der gesetzlichen Ehezeit (1.8.1995 bis 30.11.2023) hat der Antragsteller ein Anrecht bei der Zusatzversorgung ... sowie ein Anrecht bei der Versorgungsanstalt ... erlangt. Die Antragsgegnerin hat ein Anrecht der betrieblichen Altersversorgung bei der P. AG erlangt.
Weiter hat die Antragsgegnerin bei der D... ein Anrecht in der allgemeinen Rentenversicherung mit einem Ehezeitanteil von 12,6593 Entgeltpunkten, einem Ausgleichswert von 6,3297 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 50.792,12 EUR erlangt. Zudem hat sie einen Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (sog. Grundrenten-Entgeltpunkte) mit einem Ehezeitanteil von 0,6435 Entgeltpunkten, einem Ausgleichswert von 0,3218 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 2.582,26 EUR erlangt.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 17.4.2024 hat das Amtsgericht - Familiengericht - die Ehe der beteiligten Eheleute geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Insbesondere hat das Amtsgericht das Anrecht der Antragsgegnerin bei der D... in Höhe des Ausgleichswerts von 6,3297 Entgeltpunkten intern geteilt. Eine Entscheidung über den Ausgleich des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung ist unterblieben.
Mit ihrer Beschwerde macht die D... geltend, dass auch eine Entscheidung über die Entgeltpunkte für langjährig Versicherte zu treffen sei.
II Die zulässige Beschwerde der D... hat auch in der Sache Erfolg. Zu Recht verweist die D... darauf, dass eine Entscheidung über die Entgeltpunkte für langjährig Versicherte zu treffen sei. Ein Ausgleich hat jedoch wegen Geringfügigkeit nicht zu erfolgen.
1. Allerdings handelt es bei dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (§ 76g SGB VI) im Ausgangspunkt um ein im Versorgungsausgleich auszugleichendes Anrecht im Sinne des § 2 VersAusglG (BGH, Beschluss vom 10.1.2024 - XII ZB 389/22 - juris Rn. 8 ff.; Beschluss vom 1.3.2023 - XII ZB 360/22 - juris Rn. 8 ff.). Das aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung bestehende Anrecht erfüllt zudem grundsätzlich die Voraussetzungen der Ausgleichsreife im Sinne von § 19 VersAusglG (BGH, Beschluss vom 10.1.2024 - XII ZB 389/22 - juris Rn. 13 ff.; Beschluss vom 1.3.2023 - XII ZB 360/22 - juris Rn. 16 ff.).
2. Jedoch ist das aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung bestehende Anrecht wegen Geringfügigkeit nicht auszugleichen.
a) Die Beurteilung dieser Frage richtet sich nach § 18 Abs. 2 VersAusglG, da der Antragsteller während der Ehezeit kein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung und damit auch keine Entgeltpunkte aus einem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung erworben hat.
b) Ein Ausgleichswert nach § 18 Abs. 2 VersAusglG ist gering, wenn er am Ende der Ehezeit die in § 18 Abs. 3 VersAusglG genannte jeweilige Bagatellgrenze nicht überschreitet. Ist die maßgebliche Bezugsgröße ein Rentenwert, beträgt die Bagatellgrenze 1 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV. In allen anderen Fällen kommt es darauf an, ob der Kapitalwert 120 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV übersteigt. Maßgebliche Bezugsgröße im Sinne des § 5 Abs. 1 VersAusglG sind hier Entgeltpunkte aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung, also kein Rentenbetrag, so dass der Kapitalwert heranzuziehen ist (BGH, Beschluss vom 10.1.2024 - XII ZB 389/22 - juris Rn. 21; Beschluss vom 1.3.2023 - XII ZB 360/22 - juris Rn. 26 mwN).
Der Versorgungsträger der Antragsgegnerin hat hinsichtlich des ...