Leitsatz (amtlich)
1. Die Unterbrechung des Hauptprozesses wegen der Insolvenz einer Partei führt nicht zur Unterbrechung von Prozesskostenhilfeverfahren unabhängig davon, ob den Prozesskostenhilfeantrag der Insolvenzschuldner oder die Gegenpartei gestellt hat.
2. Wenn zum Zeitpunkt der Erhebung einer Widerklage der Widerkläger Kenntnis vom Insolvenzantrag des Prozessgegners hat, ist diese Widerklage grundsätzlich mutwillig i.S.d. § 114 Satz 1 ZPO.
3. Vertritt eine Partei ggü. dem Vertragspartner die Rechtsauffassung, ein Bauvertrag sei nicht zustande gekommen, ist darin weder eine Kündigung gem. § 8 Nr. 1 VOB/B, § 649 Satz 1 BGB zu erkennen noch kann eine solche Äußerung in eine Kündigung umgedeutet werden.
Normenkette
ZPO §§ 114, 240; BGB § 140
Verfahrensgang
LG Rottweil (Beschluss vom 18.05.2009; Aktenzeichen 3 O 5/09) |
Tenor
1.. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des LG Rottweil vom 18.5.2009 abgeändert
und der Beklagten zur Verteidigung gegen die Klage Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt H. zu den Bedingungen eines am LG Rottweil zugelassenen Rechtsanwaltes beigeordnet.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist das Begehren der Beklagten auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gegen die Verteidigung der Klage.
Der Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten bezüglich der Verteidigung gegen die Klage und für die erhobene Widerklage wurde mit Beschluss des LG Rottweil vom 18.5.2009 zurückgewiesen. Bezüglich des Sach- und Streitstandes bis zu diesem Beschluss sowie zu den Gründen der Versagung von Prozesskostenhilfe wird auf die Gründe dieser Entscheidung verwiesen.
Mit Beschluss des AG A. vom 1.6.2009 wurde über das Vermögen der früheren Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt S. zum Insolvenzverwalter bestellt.
Gegen den am 26.5.2009 zugestellten Beschluss des LG Rottweil vom 18.5.2009 hat die Beklagte am 25.6.2009 sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, den Beschluss aufzuheben und der Beklagten für die Rechtsverteidigung in dem vorliegenden Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Entgegen der Auffassung des LG habe das Schreiben des Rechtsanwalts der Beklagten vom 3.11.2008 keine Kündigungserklärung enthalten. In dem Schreiben sei darauf hingewiesen worden, dass aufgrund eines Dissenses kein Vertrag zustande gekommen sei. Diese Äußerung könne nicht in eine Kündigung umgedeutet werden. Der Vertrag sei daher erst unter dem 21.3.2009 wegen des Insolvenzverfahrens der Gemeinschuldnerin wirksam nach § 8 Nr. 2 VOB/B gekündigt worden.
Bei der Bemusterung sei von den Herren R. und T. der Beklagten zugesagt worden, dass die Finanzierung kein Problem sei. Herr R. sei kein freier Handelsvertreter, sondern ein Außendienstmitarbeiter der Gemeinschuldnerin gewesen. Soweit er keine Vollmacht für solche Zusagen gehabt habe, müsse sich die Gemeinschuldnerin dessen Äußerungen nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht zurechnen lassen.
Mit Beschluss vom 26.6.2009 hat das LG Rottweil der sofortigen Beschwerde der Beklagten nicht abgeholfen und die Akten dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin hat mit Schriftsatz vom 16.7.2009 zur Beschwerde Stellung genommen.
Mit Beschluss vom 20.7.2009 wurde das Beschwerdeverfahren gem. § 568 Satz 2 Nr. 1 ZPO zur Entscheidung auf den Senat übertragen.
II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig und begründet.
1. Die Unterbrechung des Hauptprozesses wegen der Insolvenz einer Partei führt weder durch eine direkte noch durch eine entsprechende Anwendung des § 240 ZPO zur Unterbrechung von Prozesskostenhilfeverfahren (OLG Stuttgart OLGReport Stuttgart 2004, S. 313, Juris Rz. 11; für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers s. BGH NJW-RR 2006, 1208 OLG Saarbrücken OLGReport Saarbrücken 2008, 567). Einer Anwendung des § 240 ZPO auf Prozesskostenhilfeanträge, die nicht vom Schuldner, sondern von dessen Prozessgegner stammen, steht schon entgegen, dass durch diesen Antrag das Vermögen des Insolvenzschuldners nicht betroffen wird und es deshalb gar keine Veranlassung für eine Unterbrechung des Prozesskostenhilfeverfahrens als selbständiges Nebenverfahren zum Hauptprozess gibt.
Im vorliegenden Fall ist es auch nicht prozessökonomisch unsinnig, die Frage der Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Beschwerdeverfahren zu klären. Zwar ist vollkommen offen, ob das unterbrochene Hauptsacheverfahren wieder aufgenommen wird. Allerdings wirkt die begehrte Prozesskostenhilfebewilligung auf den Zeitpunkt der Einreichung des vollständigen Prozesskostenhilfeantrags zurück, so dass die Bewilligung sich auf bereits in der Vergangenheit vor Unterbrechung des Verfahrens entstandene Prozesskosten der Beklagten auswirkt (vgl. LAG Köln NZA-RR 2006, 601). Es besteht daher auch während der Unterbrechung des Verfahrens ein schutzwürdiges...