Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenfestsetzung für den PKH-Anwalt gegen die Staatskasse
Normenkette
RVG §§ 49, 55; RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4; RVG-VV Nrn. 2300, 2305, 2503
Verfahrensgang
LG Tübingen (Beschluss vom 10.10.2008; Aktenzeichen 4 O 40/08) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Klägervertreters werden der Beschluss des Richters des LG Tübingen vom 10.10.2008 und der Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Kostenbeamtin des LG Tübingen vom 7.9.2008 dahin abgeändert, dass als Vergütung des Klägervertreters zusätzlich zu den festgesetzten 1.102,30 EUR weitere 204,32 EUR gegen die Staatskasse festgesetzt werden.
2. Die weitergehende Beschwerde des Klägervertreters wird zurückgewiesen.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten im Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 45 ff. RVG darüber, ob nach Prozesskostenhilfebewilligung für den Kläger ohne Zahlungsbestimmung für seinen Bevollmächtigten eine gem. § 49 RVG ermäßigte 1,3-Verfahrensgebühr ungekürzt festzusetzen ist oder wegen bereits vorgerichtlicher Tätigkeit des Bevollmächtigten wegen desselben Gegenstands nur gekürzt gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV um eine hälftige vorgerichtliche 1,3-Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 RVG-VV. Der Kläger hat für die vorgerichtliche Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten keine Beratungshilfe in Anspruch genommen.
Die Kostenbeamtin des LG hat die i.H.v. 413,40 EUR zuzüglich Umsatzsteuer geltend gemachte 1,3-Verfahrensgebühr des Klägervertreters um die Hälfte einer in gleicher Höhe zugrunde gelegten Geschäftsgebühr gekürzt und die beantragte Vergütungsfestsetzung gegen die Staatskasse gem. § 55 RVG im Übrigen antragsgemäß vorgenommen.
Der Klägervertreter hat gegen diese Festsetzung wegen der erfolgten Kürzung Rechtsmittel eingelegt, das der Richter des LG als Erinnerung mit Beschluss vom 10.10.2008 zurückgewiesen hat.
Er ist der Auffassung, die Anrechnung der bei einem Prozessbevollmächtigten entstandenen Geschäftsgebühr sei nach der Rechtsprechung des BGH zur Auslegung der Bestimmung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV auch im prozesskostenhilferechtlfchen Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 55 RVG - ggf. mit gem. § 49 RVG ermäßigtem Betrag - zwingend. Die gegenteilige Entscheidung des erkennenden Senats vom 15.1.2008 (AZ: 8 WF 5/08; FamRZ 08, 1013) sei durch die neue Rechtsprechung des BGH überholt.
In Anbetracht der Gesetzeslage habe ein von einer bedürftigen Partei konsultierter Rechtsanwalt nur die Möglichkeit, alsbald Klage zu erheben, wenn er als beigeordneter Anwalt volle Prozesskostenhilfe-Gebühren erlangen wolle. Für eine unter Umständen wünschenswerte vorgerichtliche Tätigkeit könne er nur eine pauschale Beratungshilfegebühr erlangen. Die bei vorgerichtlicher Tätigkeit erfolgende Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr erfolge unabhängig davon; ob der Mandant die vorgerichtliche Gebühr überhaupt bezahlen könne und müsse.
Mit seiner gegen die Erinnerungsentscheidung des LG eingelegten Beschwerde verfolgt der Klägervertreter seinen weitergehenden Festsetzungsantrag gegen die Staatskasse weiter.
Er ist der Auffassung, die Anrechnungsbestimmung gem. Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV gelte im Verfahren über die Festsetzung von Prozesskostenhilfe-Gebühren gem. § 55 RVG überhaupt nicht. Die Rechtsprechung des BGH sei nicht zu Prozesskostenhilfegebühren ergangen. Die Anrechnung einer Geschäftsgebühr widerspreche bei einer bedürftigen Partei auch § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.
Der Richter des LG hat das Rechtsmittel ohne Abhilfe dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Rechtsmittel des Klägervertreters ist gem. §§ 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 ff. RVG statthaft und auch sonst zulässig; insb. form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache hat das Rechtsmittel überwiegend Erfolg.
1. Die Anwendbarkeit der Anrechnungsbestimmung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV wird nach der neuen Rechtsprechung des BGH zur Auslegung dieser Vorschrift (vgl. insb. Beschl. v. 22.1.2008, NJW 08, 1323) in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet.
a) Nach wohl überwiegender Auffassung ist im Fall einer bereits vorgerichtlichen Tätigkeit des im gerichtlichen Verfahren unter Bewilligung von Prozesskostenhilfe beigeordneten Prozessbevollmächtigten auf die ihm im Verhältnis zur Staatskasse zustehende Verfahrensgebühr eine vorgerichtliche Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 RVG-VV gem. der Rechtsprechung des BGH zu Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV unabhängig davon anzurechnen, ob der Bevollmächtigte eine solche Gebühr bereits von der Partei oder vom Gegner erlangt hat oder überhaupt erlangen kann (LAG Düsseldorf, RVGreport 08, 142; OLG Oldenburg 2. ZS, RVGreport 08, 260; OLG Oldenburg, 13. ZS, FamRZ 08, 1765; OLG Bamberg, Beschl. v. 1.7.2008, AZ: 2 WF 290/08, zitiert nach Juris).
b) Demgegenüber hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 15.1.2008 (FamRZ 08, 1013) noch vor der o.a. neuen Rechtsprechung des BGH zur Auslegung ...