Leitsatz (amtlich)
1. Telekommunikationsleitungen sind keine wesentlichen Bestandteile des Grundstücks i. S. von § 94 Abs. 1 BGB, sondern sonderrechtsfähige Scheinbestandteile i. S. von § 95 Abs. 1 BGB.
2. Der Eigentümer eines Grundstücks hat die Verlegung von Lichtwellenleitern im Schutzstreifen einer im Grundbuch gesicherten Gasleitung gem. § 76 Abs. 1 Nr. 1 TKG 2004 auch dann zu dulden, wenn der Betreiber der Gasleitung un der der Telekommunikationsleitung nicht identisch ist.
3. Ein gemäß § 278 ZPO schätzbarer technischer Minderwert gemäß § 251 BGB liegt nicht vor, wenn nach Beschädigung eines Glasfaserkabels durch Baggerarbeiten je 50 m links und rechts der Schadstelle ein neues Kabel verlegt und zu dessen Einfügung zwei zusätzliche Spleißstellen mit 2 zusätzlichen Muffen erforderlich sind und das verbleibende Kabel möglicherweise mit der Gefahr von Mikrorissen gedehnt wurde, wenn in 9 Jahren nach dieser Sanierung keine Funktionsbeeinträchtigung eingetreten ist. Neben dem Anspruch auf die Kosten der so durchgeführten Reparatur besteht daher kein zusätzlicher Anspruch auf Ersatz der Kosten, die bei vollständigem Ersatz des betroffenen Kabels durch ein neues Kabel mit voller Kabellänge von 6 km entstehen würden.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Entscheidung vom 22.12.2011; Aktenzeichen 27 O 501/09) |
Tenor
1.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 22. Dezember 2011 (27 O 501/09) abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert II. Instanz: 37.045,86 EUR.
Gründe
I.
Die Klägerin verfolgt mit der Klage Ansprüche auf Schadensersatz wegen der Beschädigung von Glasfaserkabeln.
1.
Die Klägerin verfügt deutschlandweit über ein Netz von etwa 9000 km zur Datenübertragung genutzter Glasfaserleitungen, bestehend aus Kabelschutzrohren und darin geführten Glasfaserlichtwellenleitern, die sie nach ihrem Vortrag zum Betrieb an andere vermietet. Eine solche Leitung verläuft als Teil einer Fernstrecke mit mehreren Kabeln in einem Schutzrohr neben einer Ferngasleitung über das Gelände des Steinbruchs "B" nahe der Bundesstraße bei R. Das Grundstück gehört seit 1999 der S GmbH & Co. KG - im Folgenden: Fa. S -, einem Tiefbauunternehmen, über dessen Vermögen am 28. September 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestimmt. Zu Lasten des Grundstücks ist eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Ferngasleitungsrecht) für die R Aktiengesellschaft im Grundbuch eingetragen.
Am 9. September 2003 beschädigte ein Mitarbeiter der Fa. S bei Baggerarbeiten zwei Lichtwellenleiter mit 36 bzw. 72 Glasfasern. Der Schadenshergang im Einzelnen ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin ließ den Schaden in der Weise reparieren, dass im Zeitraum vom 09. bis 16. September 2003 auf einer Strecke von je 50 m links und rechts der Schadensstelle neue Glasfaserkabel verlegt und in Reparaturmuffen an die bestehende Leitung angespleißt wurden. Die Haftpflichtversicherung der Fa. S, die ..Versicherung AG, bezahlte nach Beurteilung durch den von ihr eingeschalteten Sachverständigen Prof. Dr. K und Korrespondenz mit der Klägerin vor Insolvenzeröffnung dafür 12.967,89 EUR.
Die Klägerin hat ausgeführt, diese Reparatur sei lediglich eine Notreparatur gewesen und macht im vorliegenden Rechtsstreit als weiteren Schaden den Ersatz der Kosten geltend, die zusätzlich für einen kompletten Austausch der beschädigten Lichtwellenleiter auf der konstruktionsbedingten sog. Regellänge einschließlich der bereits erneuerten Strecke zwischen zwei Muffen von 5.992,90 m beim 36-faserigen Kabel und von 1.482,00 m beim 72-faserigen Kabel voraussichtlich anfielen. Dieser Austausch ist bisher nicht durchgeführt worden.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei die Eigentümerin der beschädigten Kabel, aber kein Netzbetreiber. Die Leitung im Schadensbereich sei im Schutzbereich der bestehenden Gasleitung verlegt worden, so dass die Fa. S als Grundstückseigentümerin zu seiner Duldung verpflichtet sei. Gestützt auf in anderen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten hat sie behauptet, die durchgeführte Notreparatur habe den vor dem Schadensfall bestehenden Zustand der Lichtwellenleiter technisch nicht vollwertig wiederhergestellt. Durch die eingefügten zusätzlichen Spleiße und Muffen seien die Signaldämpfung der Lichtwellenleiter und das Betriebsrisiko ihres künftigen Ausfalls erhöht. Die Klägerin habe als reine Eigentümerin auch keine Möglichkeit, etwaige Systemreserven zum Ausgleich der Dämpfungserhöhung heranzuziehen. Ob und in welchem Umfang Dämpfungsreserven vorlägen, sei nur von den Miet...