Normenkette

BGB §§ 133, 157, 823 Abs. 2; ZPO § 520 Abs. 3, § 529 Abs. 1, § 540 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 18.10.2019; Aktenzeichen 19 O 113/19)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 18.10.2019 verkündete Urteil des Einzelrichters der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart, Az. 19 O 113/19, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.510,62 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte als Herstellerin auf Schadensersatz wegen Inverkehrbringens eines - nach klägerischer Darstellung - abgasmanipulierten Fahrzeugs in Anspruch. Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

1. Der Kläger kaufte im September 2015 ein von der Beklagten hergestelltes Fahrzeug der Marke Mercedes Benz (Viano, Erstzulassung 14.03.2011) von der an dem Rechtsstreit nicht beteiligten ..., als Gebrauchtfahrzeug zu einem Kaufpreis von 24.700,00 EUR bei einem Kilometerstand von 115.000. Der Kilometerstand zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung belief sich auf mindestens 183.462. Das Fahrzeug ist mit einem - ebenfalls von der Beklagten hergestellten - Dieselmotor (Emissionsklasse Euro 5) ausgerüstet, der die Motortypbezeichnung OM 651 führt.

Für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp gibt es einen Typgenehmigungsbescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA).

2. Die sogenannte Abgasrückführung (bei der das im Rahmen der Verbrennung entstandene Abgas - ganz oder teilweise - in den Brennraum zurückgeleitet wird und erneut an der Verbrennung teilnimmt, was sich mindernd auf die Stickoxidemissionen auswirkt), funktioniert bei dem Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs u.a. temperaturgesteuert, wird also bei Unterschreiten einer Schwellentemperatur reduziert.

Konkret beginnt die Reduzierung der Abgasrückführung (AGR) bei ca. 10° C.

3. Eine vorgerichtliche anwaltliche Zahlungsaufforderung vom 18.02.2019 hat die Beklagte umgehend zurückgewiesen.

4. a) Der Kläger behauptete in erster Instanz:

Vor dem Hintergrund der oben dargestellten AGR halte das Fahrzeug die NOx-Grenzwerte im Wesentlichen nur auf dem Prüfstand ein.

Die Beklagte habe sich aus übermäßigem Gewinnstreben über diesbezügliche Bedenken hinweggesetzt und unter Aushebelung zentraler Zulassungsvorschriften durch Täuschung des KBA und bei bewusst verschleierndem Vorgehen das Vertrauen zahlreicher Kunden in die Ordnungsmäßigkeit des Typgenehmigungsverfahrens ausgenutzt, mithin auch diese getäuscht.

Hiervon sowie von der Implementierung der o. g. (nach Bewertung des Klägers) unzulässigen Abschalteinrichtung, die er als "Thermofenster" bezeichnet, hätten Repräsentanten der Beklagten, jedenfalls der Vorstand bzw. Vorstandsmitglieder, Kenntnis gehabt.

Hätte er - der Kläger - selbst Kenntnis vom Vorhandensein einer Abschalteinrichtung bzw. von dem ohne diese grenzwertüberschreitenden Schadstoffausstoß gehabt, hätte er von dem Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs abgesehen.

Sein Schaden liege im nicht gewollten Vertragsschluss sowie in dem Wertverlust des als "Schummeldiesel" in Verruf gekommenen Fahrzeugs.

Mit Blick auf einen anzurechnenden Nutzungsvorteil hat er behauptet, es sei eine Gesamtlaufleistung von 500.000 km zu veranschlagen.

b) Er bestritt, dass die Reduzierung der AGR ab einstelligen Plusgraden aus Motorschutzgründen notwendig im Sinne der europarechtlichen Vorgaben sei, zumal die gegebene Konfiguration angesichts der in Mitteleuropa herrschenden Temperaturen nahezu auf einen Dauerbetrieb der Abschalteinrichtung hinauslaufe und überdies andere Möglichkeiten (konzeptionell, konstruktiv, andere Werkstoffwahl) bestanden hätten, den verfolgten Zweck zu erreichen.

c) Er war der Auffassung, bei der Prüfung der Notwendigkeit einer Abschalteinrichtung sei ein enger Maßstab anzulegen, zumal es sich bei Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) Nr. 715/2007 regelungstechnisch um eine Ausnahmevorschrift handele. Auf die Ausnahme "Motorschutz" könne sich die Herstellerin daher nur berufen, wenn andere technische Lösungen (nach der "jeweils besten verfügbaren Technik") nicht vorhanden seien.

Die Auffassung der Beklagten, die innermotorische Emissionskontrolle werde durch die AGR-Rate erst definiert, so dass bereits keine Abschalteinrichtung vorliege, sei unzutreffend, weil diese Differenzierung in der VO (EG) Nr. 715/2007 nicht vorgesehen sei, sondern das Verbot, an die in Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007 genannten Parameter anzuknüpfen, auch innermotorische Vorgänge umfasse.

Hinsichtlic...

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