Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 19.06.2020; Aktenzeichen 28 O 8/20) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 19. Juni 2020, Az. 28 O 8/20, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das unter 1. genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis 30.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Ansprüche wegen eines etwaigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung in ein Dieselfahrzeug.
Der Kläger erwarb am 6. Mai 2015 für 37.250,- EUR ein von der Beklagten hergestelltes Fahrzeug XY, in dem ein Dieselmotor des Typs "OM 651", Schadstoffklasse Euro 5, eingebaut war; der Kilometerstand betrug 9.550 km. Am 22. Mai 2020, dem Tag der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz, betrug der Kilometerstand 197.361 km.
Zur Verringerung der Stickoxidemissionen wird in dem Fahrzeug ein System zur Abgasrückführung eingesetzt. Dabei wird ein Teil des Abgases zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird unter anderem in Abhängigkeit von der Außentemperatur gesteuert (sogenanntes "Thermofenster").
Das Fahrzeug verfügt auch über eine sogenannte "Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung", die sich auf den Umfang der Stickoxidemissionen auswirkt.
Im Rahmen einer freiwilligen Servicemaßnahme wurde ein Software-Update aufgespielt.
Der Kläger trug in erster Instanz vor, durch das sogenannte "hard cycle beating" würden im Prüfzyklus genormte Faktoren erkannt, nämlich Drehzahl, Beschleunigung, Zeitdauer, Geschwindigkeit, Nebenverbraucher und Lenkradstellung, daneben werde das Durchfahren eines Prüfstands explizit durch den Prüfer durch Aktivierung eines Prüfstandsmodus durch Drücken einer bestimmten Tastenkombination mitgeteilt; zudem würden durch das Zusammenspiel der Vorrichtungen Bit 13, Bit 14, Bit 15 und Slipguard mit dem "Thermofenster" der Prüfstand erkannt und schließlich würden die für den Prüfstand vorgeschriebene Konditionierung und der für den Prüfstand genormte Fahrzyklus erkannt. Erkenne das Fahrzeug den Prüfzyklus, werde die Abgasrückführung so angesteuert, dass sie höchstmöglich erfolge; lägen die Voraussetzungen, aus denen man das Durchfahren des Prüfstands schließen könne, nicht vor, reduziere sich die Abgasrückführung erheblich. Während des erkannten Prüfzyklus werde durch die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung der Kühlmittelkreislauf des Motors künstlich kälter gehalten als unter realistischen Bedingungen, wodurch eine Aufwärmung des Motoröls verhindert und der Stickoxidausstoß erheblich reduziert würden. Die Beklagte habe das On-Board-Diagnose-System so programmiert, dass es keinen Fehler der Abgasreinigung feststelle, obwohl die Stickoxidsonden einen zu hohen Wert ausgäben, der bei einem zulässig konstruierten Fahrzeug nur durch einen Fehler der Abgasreinigung zu erklären wäre.
Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei 37.250,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, Zug um Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW XY FIN: ...,
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klagepartei von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.698,13 EUR freizustellen.
Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptete in erster Instanz, es sei keine Funktion verbaut, die den Prüfstand erkenne und als Folge auf dem Prüfstand ein anderes Emissionsverhalten erzeuge als auf der Straße. Das On-board-Diagnose-System funktioniere einwandfrei und entspreche allen gesetzlichen Anforderungen.
Die Beklagte war in erster Instanz der Ansicht, das "Thermofenster" sei keine unzulässige Abschalteinrichtung. Im Übrigen sei sie einer zumindest vertretbaren Rechtsauffassung gefolgt, weshalb kein sittenwidriges Verhalten vorliege; sie habe davon ausgehen dürfen, dass die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung schon keine Abschalteinrichtung darstelle, jedenfalls aber aus Gründen des Motorschutzes zulässig sei. Zumindest müsse sich der Kläger Nutzungsvorteile anrechnen lassen.
Im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass - selbst wenn man darüber hinwegsehe, dass der Kläger keinen greifbaren Anhaltspunkt dafür vorgetragen habe, warum die im Allgemeinen beschriebenen Abschalteinrichtungen auch im st...