Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermächtnis. Beweislast hinsichtlich Vorbehalt. Testamentsauslegung. Zurückbehaltungsrecht. internationale Zuständigkeit. Erbstatut. Anfechtung wegen Vermächtnisunwürdigkeit. Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erklärt der Erblasser ausdrücklich, dass dem testamentarischen Erben ein bestimmter Erbschaftsgegenstand nicht zufallen soll, gilt er gem. § 2149 BGB im Zweifel als dem gesetzlichen Erben vermacht. Den testamentarischen Erben trifft die Beweislast für einen davon abweichenden Erblasserwillen, insbesondere auch für einen Vorbehalt i.S.v. § 2086 BGB, der Erblasser habe das Testament später ergänzen wollen.

2. Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts setzt voraus, dass für die Gegenforderung ein Gerichtsstand im Inland besteht. Dies ist nicht der Fall, soweit das Zurückbehaltungsrecht aus dinglichem Recht an einem im Ausland gelegenen Grundstück abgeleitet wird. Ein Zurückbehaltungsrecht ist jedoch möglich, so weit es um Erbschaftsansprüche geht, für die die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben ist.

 

Normenkette

BGB §§ 273, 2086, 2147, 2149, 2174; ZPO § 27; EuGVO Art. 6 Nr. 3, Art. 22; BGB §§ 242, 249-250, 280, 283, 612, 1939, 2018-2019, 2339-2341, 2345; ZPO §§ 24, 287; EuGVVO Art. 6 Nr. 3, Art. 22 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 20.12.2006; Aktenzeichen 10 O 92/06)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 20.12.2006 - 10 O 92/06 - wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagten werden - gemäß Antrag 1a) - gemeinschaftlich verurteilt, die im Grundbuch von S eingetragene Eigentumswohnung mit dem ungeteilten bruchteilsmäßigen Anteil von 72/1 000 am Grundstück Markung S - samt dem dazu gehörigen Sondereigentum den Klägern zu übertragen,

Zug um Zug gegen Abgabe schriftlicher Erklärungen beider Kläger des Inhalts, dass sie nicht die Erben der am 2.11.2003 verstorbenen G sind, und die gegenteilige Erbschaftserklärung unzutreffend war, ggü. dem Grundbuchamt in P (Italien) und sonstigen italienischen Behörden, denen sie Gegenteiliges, nämlich die Erbschaft annehmen zu wollen, mitgeteilt haben, was zur Eintragung der Kläger als Eigentümer der beiden Grundstücke Gemarkung P

Im Übrigen wird Klagantrag Ziff. 1a) abgewiesen.

2. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Kläger 26.000 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird Klagantrag Ziff. 1b) abgewiesen.

3. Die Beklagten werden auf Klagantrag Ziff. 2 gemeinschaftlich verurteilt, Auskunft über den Ertrag aus der Vermietung der von den Beklagten in Besitz genommenen Eigentumswohnungen im Gebäude in S und im Gebäude F. ab dem Erbfall am 2.11.2003 ggü. den Klägern zu belegen.

4. Es wird festgestellt, dass der Vermächtnisanspruch der Kläger nicht durch die am 22.9.2005 erklärte Anfechtung wegen Vermächtnis- und Pflichtteilsunwürdigkeit der Beklagten erloschen ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen (Klagantrag Ziff. 3).

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kostenentscheidung für beide Instanzen bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Kläger bezüglich Ziff. 1 des Tenors gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 65.000 EUR, bezüglich Ziff. 3 gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 1.000 EUR und bezüglich Ziff. 2 durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Vorläufiger Streitwert I. Instanz:

Antrag Ziff. 1-8 wie vom LG festgesetzt:

(ohne Ziff. 9, da hierüber nicht zu entscheiden war) 220.500 EUR

Vorläufiger Streitwert für das Berufungsverfahren:

Antrag Ziff. 1a) (entspr. 1a) vor LG) 61.000 EUR

Antrag Ziff. 1b) (neu), Klagerweiterung zu 1b) (alt) entspr. 1b) und Ziff. 6 vor LG 32.000 EUR

Aufrechnung (§§ 322 Abs. 2 ZPO, 45 Abs. 3 GKG) 26.000 EUR

Antrag Ziff. 1c) (alt) Kostenantrag 0 EUR

Antrag Ziff. 2 (alt) in Ziff. 1a) enthalten, entsp. Ziff. 2 vor LG 0 EUR

Antrag Ziff. 2 (neu), Klagänderung zu Ziff. 3 (alt) entsp. Ziff. 3 vor LG vorläufig, da Auskunftsstufe 1.000 EUR

Antrag Ziff. 3 (neu) entspricht Ziff. 5 (alt) bzw. Ziff. 7 im LG Urteil 120.000 EUR

Antrag Ziff. 4 (alt) entspricht Ziff. 5i. LG Urteil, in der Berufung zurückgenommen 3.000 EUR

Antrag Ziff. 4 (neu) entspricht Ziff. 6 (alt) 500 EUR

Antrag Ziff. 5 (neu) entspricht Ziff. 7 (alt) und Ziff. 9 vor LG, keine Kosten, da Hilfsantrag, über den nicht entschieden wurde (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG) 0 EUR

Gesamtstreitwert: 243.500 EUR

 

Gründe

I. Die Kläger machen als gesetzliche Erben Ansprüche aus einem Vermächtnis gegen die Beklagten als testamentarische Erben geltend.

Die Erblasserin A G geb. am 31.8.1913, starb am 2.11.2003. Sie war verheiratet mit G. G., der bereits am 27.9.1959 vorverstorben war. Das einzige Kind der Eheleute war die mittlerweile ebenfalls verstorbene C. G., die die Mutter der Kläger ist. Diese hatte nach Italien geheiratet, wo die Kläger leben. Die Kläger sind also die Enkel der Erblasserin und ihre einzigen gesetzlichen Erben.

D...

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