Leitsatz (amtlich)

1. Passivlegimitiert für einen Anspruch aus § 826 BGB in der Fallgruppe des Inverkehrbringens eines abgas-manipulierten Fahrzeugs kann auch derjenige sein, der lediglich den Motor hergestellt hat, wenn und weil dem Erwerber eines Kraftfahrzeugs eines Drittherstellers eine Betriebsbeschränkung droht, da der zugelieferte Motor mit einer oder mehreren unzulässigen Abschalteinrichtung(en) versehen ist.

2. Bei einer Funktion ohne Einfluss auf die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte liegt nach den normativen Vorgaben (Art. 3 Nr. 10 i. V. m. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007) keine Abschalteinrichtung vor.

 

Normenkette

BGB §§ 31, 823 Abs. 2, § 826

 

Verfahrensgang

LG Heilbronn (Urteil vom 14.09.2018; Aktenzeichen Kn 8 O 16/18)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 14.09.2018 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn, Az. Kn 8 O 16/18, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Heilbronn ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung mit Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 80.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Motorherstellerin auf Schadensersatz in Anspruch, weil sie der Auffassung ist, das Inverkehrbringen eines Motors mit einer Abschalteinrichtung erfülle die Voraussetzungen des § 826 BGB.

Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

1. Das Fahrzeug (Audi A4 sport Avant 2.0 TDi Quattro TDI mit Erstzulassung 2016) wurde von der Z. AG entwickelt und hergestellt, der Motor (interne Motortypbezeichnung EA 288) von der Beklagten. Das Fahrzeug ist nach Emissionsklasse Euro 6 typgenehmigt. Eine Rückrufanordnung des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA), die mit dem Vorliegen unzulässiger Abschalteinrichtungen begründet wäre, gibt es zu dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht.

Es weist zum Schluss der mündlichen Verhandlung einen Kilometerstand von 121.040 auf.

2. Die Klägerin erwarb dieses Fahrzeug im August 2016 von der A. KG als Neufahrzeug zu einem Kaufpreis von 62.000,00 EUR.

Mit Anwaltsschreiben vom 14.06.2017 hat die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung zur Kaufpreiserstattung Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs aufgefordert.

3. Die Klägerin hatte in erster Instanz eine Abschalteinrichtung in Form der von dem Motortyp EA 189 bekannten "Umschaltlogik" behauptet. Eine Änderung am Abgasreinigungssystem habe es von EA 189 zu EA 288 nicht gegeben. Der reale Fahrbetrieb werde von der Software erkannt, die Abschalteinrichtung aktiviert und es komme zu einem deutlich höheren Schadstoffausstoß als auf dem Prüfstand.

Sie selbst sei aufgrund ausdrücklicher Zusicherungen davon ausgegangen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug nichts mit dem Dieselskandal zu tun habe.

Die Entwicklungsabteilung der Beklagten habe - in Kenntnis des Vorstandes, namentlich der Herren D. und E. - entschieden, die Abschalteinrichtungen in die Motorserien aller im Konzern vertriebenen Fabrikate einbauen zu lassen. An einer darüber hinausgehenden Benennung konkreter an dem Betrug beteiligter Personen sei sie dadurch gehindert, dass die Beklagte der sie insoweit treffenden sekundären Darlegungslast nicht nachkomme.

Dabei habe die Beklagte die Einhaltung der emissionsrechtlichen Grenzwerte und Vorschriften aus eigenem Gewinnstreben sowie mit dem Ziel vorgetäuscht, die Marktführerschaft auf dem Markt für Personenfahrzeuge zu erreichen. Den "Betrugserfolg" mit dem Motor EA 189 habe die Beklagte auf die "Nachfolgeaggregate" übertragen.

4. Sie war der Auffassung, die Beklagte hafte ihr aus diversen deliktischen und quasivertraglichen Anspruchsgrundlagen.

Eine Nutzungsentschädigung sei nicht abzusetzen, zumal das Fahrzeug straßenverkehrszulassungsrechtlich nicht uneingeschränkt nutzbar gewesen sei.

5. Die Beklagte bestritt sowohl die Aktivlegitimation der Klägerin als auch die Ausrüstung des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit der klägerseits monierten Software. Der Motor EA 288 sei von der Diesel-Thematik nicht betroffen. Auch gebe es keinen Rückruf hinsichtlich des Fahrzeugs der Klägerin; die Rückrufaktion "23Q7" beziehe sich nur auf EA189-Motoren mit Hubraum 1,2l, 1,6l oder 2,0l. Ein Rückschluss auf alle Fahrzeuge "der Beklagten" sei unzulässig. Die Rückrufaktion 6876 des KBA betreffe VW-Fahrzeuge und - so ausdrücklich das KBA - nicht einmal alle Fahrzeuge des betreffenden Typs aus dem betreffenden Produktionszeitraum. Die Untersuchungskommission des Bundesverkehrsministeriums habe ausdrücklich festgestellt, dass Hinweise auf Abgasmanipulationen hinsichtlich des Aggregats E...

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