Leitsatz (amtlich)

1. Ein Schriftsatznachlass kann im Verfahren der einstweiligen Verfügung nicht gewährt werden.

2. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt eine Hinweispflicht aufgrund besonderen Charakters des Verfahrens und der daraus resultierenden erweiterten Obliegenheiten der Parteien regelmäßig nicht in Betracht.

3. Eine Mitteilungs- oder Hinweispflicht des Gerichts kann die Partei nicht durch eine Bitte um einen Hinweis oder durch eine Anfrage begründen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 16. Oktober 2016 - 2 W 57/16). Ob sie besteht, bemisst sich nach objektiven Kriterien.

4. Nach der Zivilprozessreform 2002 ist es dem Kläger grundsätzlich verwehrt, seine Klage im zweiten Rechtszug zu ändern. Dies gilt (erst recht) für das auf besondere Verfahrensbeschleunigung angelegte Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.

 

Tenor

1. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Vorsitzenden der 42. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 22. Juni 2016 (Az.: 42 O 28/16 KfH) wird

zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsklägerin.

Der Streitwert wird festgesetzt

für den ersten Rechtszug bis zur Rücknahme der Anträge Ziffer I und Ziffer VI auf insgesamt 2,67 Mio. EUR, danach auf insgesamt 2,025 Mio. EUR, davon im Verhältnis zwischen der Verfügungsklägerin und jedem Verfügungsbeklagten bis zur Teilklagerücknahme auf 890.000,- EUR, danach auf 675.000,- EUR;

für den zweiten Rechtszug auf insgesamt 2.025 Mio. EUR, davon im Verhältnis der Verfügungsklägerin zu jedem der Verfügungsbeklagten auf 675.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Verfügungsklägerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Unterlassung aus Wettbewerbsrecht.

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Vorsitzenden der 42. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 22. Juni 2016 (Az.: 42 O 28/16 KfH) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die nach Rücknahme dreier Anträge zuletzt noch gestellten Verfügungsanträge zurückgewiesen und hierzu ausgeführt:

Zum Antrag Ziffer II. habe die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft gemacht, dass der erkennbar redaktionelle Artikel Ast 1 wenigstens mittelbar auf Veranlassung der Beklagten beruhe. Außerdem sei der Antrag verfrüht, da gemäß § 75 Abs. 2 HG NRW noch keine Verpflichtung bestehe, die von der Verfügungsbeklagten Ziff. 1 in Kooperation mit der medizinischen Hochschule S... beabsichtigte Einrichtung des Medizinstudiengangs in K... anzuzeigen. Abzustellen sei auf den 15. Juli 2016. Auch sei nicht glaubhaft gemacht, dass die Verfügungsbeklagte Ziff. 1 dieser Anzeigepflicht nicht rechtzeitig nachkommen werde.

Zum Antrag Ziff. III habe die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft gemacht, dass die von ihr behauptete Voraussetzung für eine Zulassung zum Studium bestehe.

Zum Antrag Ziff. IV sei die beanstandete Behauptung der Anlage ASt 1 schon nicht zu entnehmen. Der dortige Artikel im D... Ä... bringe lediglich zum Ausdruck, dass "die Anerkennung der Studienleistungen europaweit gesetzlich gewährleistet ist". Zudem fehle die Passivlegitimation der Verfügungsbeklagten (wie zum Antrag II.). Die Regelungen in der Lissabon-Konvention führten zu einer Beweislastumkehr zu Lasten der Verfügungsklägerin.

Zum Antrag Ziff. V verhalte es sich wie zum Antrag Ziffer II.

Die ungenaue bzw. verkürzte Aussage in der mit dem Antrag Ziff. VII (Schriftsatz vom 25.05.2016) angegriffenen Werbeanzeige Ast 15 führe nicht zu einer marktrelevanten Irreführung.

Der Schriftsatz der Verfügungsklägerin vom 07.06.2016 habe keinen Anlass gegeben, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

Der von der Verfügungsklägerin angegebene Streitwert von 200.000 EUR erscheine allenfalls in einem Hauptsacheverfahren angemessen. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sei regelmäßig ein Abschlag, hier in Höhe der Hälfte, vorzunehmen.

Gegen dieses Urteil hat die Verfügungsklägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel prozessordnungsgemäß begründet.

Sie trägt vor:

Die Änderungen in den Berufungsanträge gegenüber den erstinstanzlichen Verfügungsanträgen stellten lediglich Einschränkungen aus Gründen der Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) dar. Sofern der Senat gegen einen Antrag Bedenken habe, bittet der Verfügungsklägervertreter um einen Hinweis.

Zum Berufungsantrag Ziffer I.:

Das Landgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass der Artikel im D... Ä... (Ast 1) erkennbar redaktionell sei. Ergänzend zu der ersten Instanz berufe sich die Verfügungsklägerin auf die Anlage Ast 2 zur Antragsschrift.

Der Verfügungsbeklagte Ziffer 2 habe vor dem Landgericht angegeben, es habe mehrere Interviewanfragen gegeben, und aus den Antworten sei der Artikel entstanden. Glaubhaft gemacht hätten die Verfügungsbeklagten dies nicht. Im Übrigen wären die Verfügungsbeklagten aufgrund ihrer objektiven Mitwirkung für den Inhalt verantwortlich.

Die Verfügungsklägerin habe erstinstanzlich vorgetragen, dass gleichlautende oder ähnliche Artikel auch in anderen Zeitschrif...

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