Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bemessung des Differenzschadensersatzes nach § 287 ZPO.
2. Zur Vorteilsausgleichung im Rahmen eines Anspruchs auf Differenzschadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 2 EG-FGV.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2; EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1; Verordnung (EG) Nr. 715/2007 Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 S. 1; ZPO § 287
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 21.01.2022; Aktenzeichen 48 O 307/21) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klagepartei wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.01.2022 wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 2.960,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21.11.2023 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Klagepartei zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klagepartei 9/10 und die Beklagte 1/10.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das erstinstanzliche Urteil ist - soweit nicht abgeändert - ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung des Gegners gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern dieser nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis 30.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. A. Die Klagepartei verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs, da dieses von der Beklagten mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen worden sei.
Die Klagepartei kaufte das streitgegenständliche Fahrzeug Mercedes-Benz E 200 BlueTec am 10.07.2017 von einem Dritten zum Preis von 29.600,00 EUR. Bei Übergabe wies das Fahrzeug eine Laufleistung von 9.270 km auf. Das Fahrzeug war von der Beklagten unter Verwendung eines Motors mit der Bezeichnung OM 651 hergestellt worden und verfügt über eine EG-Typgenehmigung nach der Schadstoffklasse Euro 6.
In dem Fahrzeug kommt eine Abgasrückführung (AGR) zur Anwendung, bei der das im Rahmen der Verbrennung entstandene Abgas in den Brennraum zurückgeleitet wird und somit erneut an der Verbrennung teilnimmt, was sich mindernd auf die Stickoxidemissionen (NOx-Emissionen) auswirkt. Die AGR arbeitet bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug u.a. temperaturgesteuert.
Weiter verfügt das streitgegenständliche Fahrzeug über eine sogenannte "Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung" (KSR), auch als "geregeltes Kühlmittelthermostat" bezeichnet, bei der die - aufgrund einer früheren Zuschaltung des großen Kühlkreislaufes - verzögerte Erwärmung des Motors zu niedrigeren NOx-Emissionen führt.
Das streitgegenständliche Fahrzeug weist zudem ein SCR-System (selektive katalytische Reduktion) auf. Dabei handelt es sich um eine Abgasnachbehandlung mit dem Harnstoffgemisch AdBlue, das durch die hohen Temperaturen im Abgassystem in Ammoniak umgewandelt wird, der anschließend in einem SCR-Katalysator mit den im Abgas enthaltenen Stickoxiden zu Stickstoff und Wasser reagiert.
Erstinstanzlich hat die Klagepartei nach teilweiser Erleidigterklärung des geforderten Zahlbetrags aufgrund gezogener Nutzungen zuletzt beantragt für Recht zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 28.264,73 EUR sowie Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 24.08.2021 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges Mercedes-Benz E 200 BLUETEC mit der Fahrzeugidentifikationsnummer WDD2122061B....
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeuges Mercedes Benz E 200 BLUETEC mit der Fahrzeugidentifikationsnummer WDD2122061B... seit dem 24.08.2021 in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 640,75 EUR (netto), zuzüglich der gesetzlich geltenden Umsatzsteuer gegenüber der ... freizustellen.
Die Beklagte ist der teilweisen Erledigterklärung entgegen getreten und hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
B. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
C. Gegen dieses Urteil hat die Klagepartei Berufung eingelegt. Nachdem die Klagepartei erstinstanzlich allein den großen Schadensersatz begehrt hatte, hat sie in der Berufungsinstanz erstmals mit Schriftsatz vom 16.11.2023, der Beklagten am 20.11.2023 zugestellt worden ist, sich auf den Differenzschadensersatz berufen.
Nachdem die Klagepartei in der Berufung zunächst in der Hauptsache einen Zahlbetrag in Höhe von 28.264,73 EUR begehrt hatte, beantragt zuletzt unter Abänderung des angefochtenen Urteils wie folgt für Recht zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 27.619,44 EUR sowie Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem...