Leitsatz (amtlich)
1. Haben die Parteien im Rahmen des streitgegenständlichen Kaufvertrages die Incoterm-Klausel "Ex Works" (kurz: "EXW") vereinbart, so kann unter Berücksichtigung der übrigen vertraglichen Regelungen auch bei faktischer Übernahme der gesamten Versandorganisation durch die Verkäuferin eine Vereinbarung des Erfüllungsortes im Sinne Art. 5 Abs. 1 lit. b) LugÜ II an ihrem Sitz vorliegen.
2. Eine entsprechende Vereinbarung liegt nahe, wenn sich die Verkäuferin zwar aus praktischen Gründen zur Übernahme der Versandorganisation bereit erklärt, andererseits aber deutlich wird, dass die Übernahme der Verpflichtung zur Versendung lediglich einen zusätzlichen Service darstellt, welcher an der Vereinbarung einer Holschuld nichts ändern soll.
Normenkette
LugÜ II Art. 5 Abs. 1 lit. b
Verfahrensgang
LG Hechingen (Urteil vom 22.11.2016; Aktenzeichen 5 O 37/15) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hechingen vom 22.11.2016 - 5 O 37/15 KfH -
a u f g e h o b e n .
2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das
Landgericht Hechingen
z u r ü c k v e r w i e s e n .
3. Die Entscheidung über die Kosten einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorbehalten.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 12.837,80 EUR
Gründe
I. Die Klägerin mit Sitz in Deutschland vertreibt LED-Lampen. Sie verlangt von der Beklagten mit Sitz in der Schweiz den Kaufpreis aus zwei Verträgen über die Lieferung von LEDs. Die Beklagte rügt die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte und macht Gegenansprüche wegen mangelhafter Lieferung geltend.
Am 01.03.2013 übersandte die Beklagte der Klägerin per Mail (Anlage K1, im Konvolut Bl. 9) eine "Abrufbestellung" für insgesamt 1.600 LEDs (Backlight Matrix) zu einem Gesamtpreis von 27.600,- EUR. In der Spalte "Lieferung" ist vermerkt: "F..... EXPRESS P........ XX2251886". Hierbei handelt es sich um den Namen des zu beauftragenden Speditionsunternehmens sowie die Kundennummer der Beklagten bei diesem Unternehmen. Die Klägerin bestätigte die Bestellung mit Mail vom selben Tag (Anlage K4, im Konvolut Bl. 9). Auf dem betreffenden Mailausdruck ist unter "Anlage" vermerkt: "A5213210.pdf; AGB.pdf". Die der Mail angehängte Auftragsbestätigung enthält den Vermerk: "Alle Leistungen erfolgen auf Grundlage unserer AGB. Diese finden Sie auf der Rückseite jedes Beleges oder online unter www.LEDs.de" sowie "Lieferbedingungen: EXW, Abholung in Hechingen zu Kundenlasten: F..... EXPRESS P........ XX2251886". Unter Versandart ist "Abholung / Kein Versand" aufgeführt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin (Anlage K19, Bl. 32 ff) enthalten unter § 9 Abs. 1 die Vereinbarung deutschen Rechts unter Ausschluss von UN-Kaufrecht und unter Abs. 2 eine Gerichtsstandsklausel, wonach ein ausschließlicher Gerichtsstand am Geschäftssitz der Verkäuferin begründet wird. Mit Mail vom 03.03.2013 (Anlage K2, im Konvolut Bl. 9) bot die Klägerin der Beklagten weitere LEDs zu einem Preis von 3.825 EUR an. Mit Mail vom 05.03.2013 (Anlage K3, im Konvolut Bl. 9) bestellte die Beklagte die angebotenen 500 LEDs sowie 100 weitere. Die Auftragsbestätigung unter Angabe eines Gesamtpreises von 5.650 EUR sowie wiederum unter Vorgabe der Lieferbedingungen "EXW, Abholung in Hechingen zu Kundenlasten: F..... EXPRESS P........ 442251886" sowie Angabe der Versandart "Abholung / Kein Versand" erfolgte am 06.03.2013 (Anlage K5, im Konvolut Bl. 9). Die Beklagte erhielt die Waren vereinbarungsgemäß in mehreren Teillieferungen, wobei die beauftragte Spedition F..... Express diese in die Montagehalle der Beklagten in V...(Ortsname)/Schweiz lieferte. Auf die sich aus den von der Klägerin erstellten Rechnungen (Anlage K6 - K14) ergebende Gesamtforderung in Höhe von 33.146,50 EUR wurden Zahlungen von 20.308,70 EUR geleistet. Daraus ergibt sich der mit der Klage geltend gemachte Betrag in Höhe von 12.837,80 EUR.
Die Klägerin hat im erstinstanzlichen Verfahren die Ansicht vertreten, die Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergebe sich aus Art. 23 Abs. 1 lit. a) 1. Alt. des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Lugano-Übereinkommen, im Folgenden: LugÜ II). In der Sache hat die Klägerin vorgetragen, mangelfrei geliefert zu haben. Unabhängig davon sei die Mängelrüge der Beklagten erst drei Monate nach Lieferung und damit verspätet erfolgt, § 377 Abs. 2 HGB.
Sie hat daher beantragt, die Beklagte zur Zahlung des noch offenen Rechnungssaldos in Höhe von 12.837,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2013 zu verurteilen.
Die Beklagte hat die internationale Zuständigkeit des Landgerichts als fehlend gerügt. Ausdrücklich hat sie erklärt, sich auch nicht rügelos auf das Verfahren einlassen zu w...