Leitsatz (amtlich)
Für die Zeit ab Eintritt des Geschädigten in ein Beamtenverhältnis stehen dem Rentenversicherungsträger keine Ansprüche mehr aufgrund des Übergangs nach § 119 SGB X zu.
Verfahrensgang
LG Ravensburg (Urteil vom 23.02.2006; Aktenzeichen 3 O 427/05) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Ravensburg vom 23.2.2006 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert der Berufung: 90.977,64 EUR.
Tatbestand
Es geht um Regressansprüche des Rentenversicherungsträgers aus einem Verkehrsunfall, für den die Beklagte zu 100 % haftet. Zum Unfallzeitpunkt stand der Geschädigte in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis. Da er seinen früheren Beruf unfallbedingt nicht mehr ausüben konnte, übernahm er zum 11.9.2000 eine verbeamtete Tätigkeit. Die Beklagte hat bis zum 31.12.2001 Rentenversicherungsbeiträge für den Geschädigten bezahlt. Die Klägerin verlangt solche auch für die Zeit danach. Das LG wies ihre Klage mit dem angefochtenen Urteil ab, auf das wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird. Mit der Berufung erstrebt die Klägerin wie in erster Instanz die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 45.488,82 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3.1.2006 für den Zeitraum 1.1.2002 bis 31.12.2005 und die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, die zukünftigen unfallbedingten Ausfälle der Beitragsleistungen an die gesetzliche Rentenversicherung, die vom mutmaßlichen Bruttoverdienst des Geschädigten abzuführen wären, durch Zahlung an die Klägerin im Sinne eines Beitragsregresses nach § 119 X. Sozialgesetzbuch zu ersetzen.
Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, das LG habe die Klage zu Unrecht abgewiesen mit der Begründung, der Geschädigte sei durch den Eintritt in den Beamtenstand versicherungsfrei geworden. Für den gesetzlichen Forderungsübergang komme es auf die Versicherungspflicht im Zeitpunkt der Schädigung an. Der Schädigungszeitpunkt sei maßgeblich, damit der Beitragsregress auch stattfinden könne, wenn die die Versicherungspflicht begründenden Umstände schädigungsbedingt entfallen seien. Von der späteren Entwicklung solle der Forderungsübergang nicht abhängig gemacht werden. Das LG verkenne, dass die Verbeamtung des Geschädigten Folge des Unfalls sei, da der Geschädigte habe nicht mehr als Fertigungsleiter weiterarbeiten können. Falsch sei auch die Ansicht des LG, dass ab 11.9.2000 mit der Verbeamtung ein Schaden in Form nicht möglicher Erbringung von Versicherungsbeiträgen entfallen sei, weil der Geschädigte ab diesem Zeitpunkt keine Versicherungsbeiträge zur Rentenversicherung mehr zu zahlen hatte. Die Versorgungslücke des Geschädigten sei offensichtlich, nachdem er jetzt deutlich weniger verdiene. Die Klägerin habe außerdem errechnet, dass der Geschädigte durch seine bisherige Tätigkeit für seinen Eintritt ins Rentenalter mit 65 Jahren am 1.6.2022 680,23 EUR monatliche Rentenanwartschaften erworben habe. Durch seine Verbeamtung könne er bis dahin monatliche Pensionsansprüche von ca. 735,72 EUR erwerben. Hätte er in seinem früheren Beruf weiterarbeiten können, hätte er eine Rente von 1.771,21 EUR zu erwarten gehabt. Es werde mithin ein monatlicher Rentenverkürzungsschaden von 355 EUR eintreten. Da Beitragsschäden und Ausgleichspflicht mit der Beitragslücke und nicht erst im Versicherungsfall entstehen, könne es nicht zu einem Wegfall des Beitragsersatzanspruches führen, wenn der Geschädigte nach dem Schadenszeitpunkt ins Beamtenverhältnis wechsle, um den unfallbedingt eingetretenen Verdienstausfallschaden zu reduzieren. Der Beitragsregress könne entgegen der Ansicht des LG auch nicht vom Einkommen des Geschädigten abhängig sein. Der Beitragsersatz finde statt, wenn die Möglichkeit späterer Leistungsverkürzungen gegeben sei. Er hänge nicht davon ab, dass er sich später bei Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber einem konkreten Leistungsersatz als die für den Schädiger günstigere Lösung erweise. Der Schadensersatz erfolge auf die Gefahr hin, dass der Geschädigte später besser stehe, als er ohne die Schädigung gestanden hätte (BGH VersR 1977, 1156). Zudem bestünden Anrechnungsvorschriften in beiden Alterssicherungssystemen (§§ 34 SGB VI, 55 Beamtenversorgungsgesetz). Der Vortrag zu den konkret zu erwartenden Leistungen des Geschädigten sei nicht verspätet. Er habe in erster Instanz nicht gehalten werden müssen, nachdem das LG einen Schaden als Grundlage eines Beitragsregresses definitiv als nicht gegeben erachtet habe. Bedeutsam sei auch, dass Leistungen eines Sozialversicherungst...